Leitsatz (amtlich)
Beruht die Feststellung eines Rotlichtverstoßes auf dem Ergebnis einer automatischen Rotlichtüberwachung muss der Tatrichter die Entfernung der Induktionsschleife von der Haltelinie, ggf. soweit vorhanden sogar die Entfernung einer zweiten Induktionsschleife von der ersten, und die jeweils auf den 2 Messfotos eingeblendeten Messzeiten mitteilen.
Verfahrensgang
AG Bielefeld (Entscheidung vom 04.04.2006; Aktenzeichen 37 OWi 64 Js 378/06 (151/06)) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Bielefeld hat den Betroffenen wegen (fahrlässigen) Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage gemäß § 24 StVG i.V.m. §§ 37 Abs. 2 Ziffer 1, 49 Abs. 3 Ziffer 2 StVO zu einer Geldbuße von 125,- Euro und einem Fahrverbot von 1 Monat verurteilt.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er mit der Verletzung materiellen Rechts näher begründet hat.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld mit den Feststellungen aufzuheben.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufig Erfolg.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zu einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Bielefeld.
Das angefochtene Urteil unterliegt aufgrund der Sachrüge der Aufhebung, weil dem Senat nicht die Möglichkeit eröffnet ist zu überprüfen, ob das Amtsgericht die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit materiellrechtlich fehlerfrei festgestellt hat.
Auch wenn die Anforderungen an die Urteilsgründe in Bußgeldverfahren keinen hohen Anforderungen unterliegt, muss die Beweiswürdigung so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung ermöglicht wird.
Grundlage dieser revisionsgerichtlichen Beweiswürdigung ist das schriftliche Urteil, mit dem der Tatrichter darüber Rechenschaft gibt, auf welchem Wege er von den Beweismittelergebnissen zum festgestellten Sachverhalt gelangt ist (vgl. BGH, NStZ 1985, 184). Dabei muss die im Urteil mitgeteilte Beweiswürdigung in sich logisch, geschlossen, klar und insbesondere lückenfrei sein. Sie muss wenigstens die Grundzüge der Überlegungen des Tatrichters und die Möglichkeit des gefundenen Ergebnisses sowie die Vertretbarkeit des Unterlassens einer weiteren Würdigung aufzeigen. Es müssen alle aus dem Urteil ersichtlichen Tatsachen und Umstände, die Schlüsse zugunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zulassen, ausdrücklich erörtert werden (Grundlegend hierzu Göhler, OWiG 14. Aufl. § 71 Rn 43 mwN).
Diesen in Rechtsprechung und Literatur seit langem gefestigten Grundsätzen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Nach den Urteilsfeststellungen passierte der Betroffene 1,42 Sekunden nachdem die für ihn maßgebliche Lichtzeichenanlage Rotlicht zeigte, die Haltelinie der LZA.
Bereits diese Feststellung ist unzureichend.
Ein Fahrzeugführer, der bei Rotlicht die Haltelinie überfährt verstößt lediglich gegen § 41 Abs. 3 Nr.2, 49 Abs. 3 Nr.4 StPO, wenn er noch vor dem geschützten Kreuzungsbereich anhält.
Erst wenn er - die Feststellungen des Urteils geben insoweit nichts her - in den durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich einfährt, tritt der vorgenannte Verstoß hinter dem Verstoß gegen § 37 Abs. 2 Nr.1 S.67, 49 Abs.3 Nr.2 StVO zurück (BGH NStZ 1999, 512, BayObLGSt 1994, 13, OLG Stuttgart VRS 94, 141). Der Tatrichter ist daher gehalten, sowohl das Passieren der Haltelinie als auch das Einfahren in den geschützten Bereich in den Urteilsgründen darzulegen.
Die Beweiswürdigung des Urteils ist aber noch in einem weiteren Punkt unzureichend.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts erfolgte die Messung der Rotlichtdauer mit einer ordnungsgemäß geeichten Rotlichtüberwachungsanlage der Marke Traffiphot III.
Der Einsatz eines solchen Gerätes stellt ein sogenanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtssprechung des BGH und der Obergerichte (BGHSt 46,358; Hanseatisches OLG Bremen, DAR 2002, 225,226, OLG Hamm NZV 2000, 426, OLG Stuttgart VRS 99, 286) dar.
Für die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Nr. 1 S.7 StVO genügt mithin, wie allgemein beim Einsatz standardisierter Messverfahren, die Angabe des konkret verwendeten Gerätetyps und des gewonnenen Messergebnisses, sowie eines etwaigen zu beachtenden Toleranzwertes (BGH aaO).
Der Tatrichter ist zu weiteren Darlegungen hinsichtlich des Messverfahrens und -ablaufes in den Urteilsgründen nicht verpflichtet (BayObLG NJW 2003, 1752).
Allerdings bedarf es -bei der automatischen Rotlichtüberwachung- darüber hinaus seitens des Tatrichters der Mitteilung der Entfernung der Induktionsschleife von der Haltelinie, ggfls - soweit vorhanden - sogar die Entfernung einer zweiten Induktionsschleife von der ersten und der jeweils auf den 2 Messfotos eingeblendeten Messzeiten.
Dies ergibt sich...