Leitsatz (amtlich)
Zum Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot bei nicht genügender Überwachung der Erstellung eines in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens und durch die Ankündigung, die Hauptverhandlung trotz zwischenzeitlichen Ablaufs der Frist des § 121 StPO erst weitere fünf Wochen später durchzuführen.
Tenor
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 22. Dezember 2005 (77 Gs 102 Js 737/05 - 2207/05 StA Dortmund) und die diesen Haftbefehl aufrechterhaltene Entscheidung des Schöffengerichts Dortmund vom 2. August 2006 (76 Ls 218/06) werden aufgehoben.
Gründe
I.
Der Angeschuldigte wurde am 14. Februar 2006 vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 22. Dezember 2005 ununterbrochen in Untersuchungshaft. In diesem Haftbefehl wird dem Angeschuldigten zur Last gelegt, sich durch vier selbstständige Handlungen wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und wegen Bedrohung in Tateinheit mit Beleidigung in drei weiteren Fällen strafbar gemacht zu haben.
Im Einzelnen wird ihm in dem Haftbefehl Folgendes vorgeworfen:
"Nachdem der Beschuldigte am 27.09.2005 nach einer verbalen Auseinandersetzung versucht hatte, auf die Zeugin G. einzustechen, wobei er geäußert hatte, daß er sie umbringen werde, befand sich der Beschuldigte in der Zeit vom 27.09.2005 bis zum 15.12.2005 in dem Verfahren 74 Ls 102 Js 570/05 - 841/05 in Untersuchungshaft in der JVA Dortmund. Da die Zeugin das Messer ergreifen konnte, erlitt diese Beugesehnendurchtrennungen an beiden Händen. Im Rahmen der Hauptverhandlung am 15.12.2005 wurde der Beschuldigte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Nachdem er am 19.12.2005 einen Selbstmordversuch begangen hatte, befand er sich im Johanneshospital in Dortmund.
1.
Als die Zeugin G. den Beschuldigten daraufhin besuchte, äußerte er ihr gegenüber, daß es sich bei der letzten Tat lediglich um eine Drohung gehandelt habe, er die Tat jedoch vollenden werde, wenn diese sich mit einem anderen Mann einlasse.
2.
Am 21.12.2005 gegen 17.00 Uhr - nach Entlassung aus dem Krankenhaus - meldete er sich erneut bei der Zeugin G. und betitelte diese als "Schlampe". Er äußerte, er wisse schon, was er mit ihr und seiner Ex-Frau anstellen werde. Daraufhin wurde das Gespräch durch die Zeugin beendet.
3.
Am selben Tag, ca. 1 Stunde später, rief der Beschuldigte die Zeugin G. erneut an und gab an, er werde diese zerstückeln. Sie solle aufpassen, wenn sie rausgehe. Er finde sie überall. Sie würde ihm gehören. Zudem bezeichnete er die Zeugin als "Hure" und "Schlampe".
4.
Gegen 23.00 Uhr desselben Tages meldete er sich erneut bei der Zeugin. Als diese ein Treffen mit ihm ablehnte, betitelte er sie erneut als "Hure" und "Schlampe" und drohte ihr an, sie zu erwürgen."
Wegen dieser Vorwürfe hat die Staatsanwaltschaft Dortmund bereits unter dem 28. Februar 2006 Anklage beim Amtsgericht - Schöffengericht - Dortmund erhoben. Mit Schreiben vom 7. März 2006 hat der Vorsitzende des Schöffengerichts die Akten dem Direktor des Westfälischen Zentrums für Psychiatrie in Dortmund mit der Bitte um Erstellung eines Gutachtens "zu den Fragen §§ 20, 21, 63, 64 StGB" übersandt und um beschleunigte Erledigung gebeten, da es sich um eine Haftsache handele. Die Westfälische Klinik Dortmund teilte anschließend dem Amtsgericht lediglich unter dem 3. April 2006 mit, dass die Begutachtung durch die Ärzte W. und O. (Abteilung Allgemeine Psychiatrie I) erfolgen werde. Sachstandsanfragen und Erinnerungen an eine vordringliche Erledigung des Gutachtenauftrags hat der Vorsitzende des Schöffengerichts nicht veranlasst. Erst mit Schreiben vom 19. Juli 2006 hat der Vorsitzende den Gutachter darauf "hingewiesen, dass Mitte August die 6-Monats-Frist abläuft". Um Übersendung des Gutachtens bis zum 10. August werde deshalb gebeten.
Der Vorsitzende des Schöffengerichts hat - jedenfalls soweit dies den dem Senat vorliegenden Akten zu entnehmen ist - über die Eröffnung des Hauptverfahrens noch nicht entschieden. Lediglich der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 10. August 2006 im Verfahren über die Haftprüfung gem. §§ 121, 122 StPO ist zu entnehmen, dass - nach fernmündlicher Auskunft - die Hauptverhandlung für den 7. September 2006 vorgesehen sei.
Auf telefonische Rücksprache hat es der Vorsitzende des Schöffengerichts trotz eines ausdrücklichen Hinweises des Senats auf die möglicherweise fortbestehende Gefährlichkeit des Angeschuldigten und die sich aus der fehlerhaften Bearbeitung dieses Strafverfahrens ergebenden rechtlichen Konsequenzen ausdrücklich abgelehnt, den Hauptverhandlungstermin beschleunigt - ggf. unter Verzicht auf Ladungsfristen - vorzeitig anzuberaumen.
II.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Dortmund vom 22. Dezember 2005 und die hierzu ergangene Haftfortdauerentscheidung des Amtsgerichts waren aufzuheben, weil die Voraussetzungen, unter denen die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus gemäß § 121 Abs...