Leitsatz (amtlich)
Der Streitwert einer Klage eines Versicherers auf Zahlung laufender Beiträge aus einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Versicherungsvertrag bemisst sich gem. § 9 Satz 1 ZPO nach dem 42fachen Monatsbetrag der verlangten Monatsprämie. Die Möglichkeit des Versicherungsnehmers, den Versicherungsvertrag durch Kündigung zu beenden, ist ohne Bedeutung.
Macht der Versicherungsnehmer jedoch während des Rechtsstreits von der Kündigungsmöglichkeit Gebrauch und steht damit der Endzeitpunkt des Versicherungsvertrages fest, bestimmt sich der Streitwert für diesen Zeitabschnitt nach § 9 Satz 2 ZPO.
Normenkette
ZPO § 9
Verfahrensgang
LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 169/12) |
Tenor
Abändernd wird der Streitwert für den erstinstanzlichen Rechtszug für die Zeit bis zum 9.5.2012 auf 9.841,35 EUR und für die Zeit ab dem 10.5.2012 auf 3.082,67 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers hat Erfolg.
1. Der Kläger, ein Krankenversicherer, war mit dem Beklagten durch einen auf unbestimmte Zeit geschlossenen privaten Krankheitskostenvollversicherungsvertrag verbunden, der § 193 Abs. 3 VVG entsprach. Er hat den Beklagten auf Zahlung rückständigen Beitrags in Anspruch genommen und nach vorangegangenem Mahnverfahren mit klagebegründendem Schriftsatz vom 15.12.2011 u.a. mit seinem Klageantrag zu 6) beantragt, den Beklagten zur Zahlung monatlicher Versicherungsbeiträge von 177,86 EUR zu verurteilen. Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 25.4.2012 den Versicherungsvertrag gekündigt und die Bescheinigung über eine anderweitige Krankenversicherung vorgelegt hatte, bestätigte der Kläger die Beendigung des Vertrages zum 30.4.2012. Der Kläger hat sodann den Klageantrag zu 6) für erledigt erklärt.
Das LG hat durch den angefochtenen Beschluss den Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren auf bis 3.500 EUR festgesetzt. Es hat dazu ausgeführt, dass wegen der bestehenden Kündigungsmöglichkeit durch den Beklagten der Wert des Klageantrags zu 6) nicht mit dem 42fachen Monatsbetrag, sondern nur mit dem 6fachen Monatsbetrag angesetzt werde. Hier gegen richtet sich die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, der auf dem Standpunkt steht, dass § 9 ZPO zur Anwendung komme und die Kündigungsmöglichkeit nicht ausschlaggebend sein könne.
2. Entgegen der Auffassung des LG findet auf den Antrag des Klägers, den Beklagten zur Zahlung des laufenden Beitrags aus dem Krankheitskostenversicherungsvertrag zu verurteilen, § 9 Satz 1 ZPO Anwendung.
Wie der Senat bereits entschieden hat (r+s 2012, 156 = VersR 2011, 1329), kommt bei einem wie hier erhobenen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen immer dann § 9 Satz 1 ZPO zur Anwendung, wenn das Stammrecht erfahrungsgemäß dreieinhalb Jahre dauern kann; für Rechte von typischerweise wesentlich kürzerer Laufzeit ist der gesetzlich vorgegebene Wert des dreieinhalbfachen Jahresbezugs dagegen unangemessen (BGHZ 36, 144, 147; Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 9 Rz. 1; Wöstmann in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 9 ZPO 4). Zu den wiederkehrenden Leistungen nach § 9 ZPO gehören auch Ansprüche auf Zahlung von Versicherungsbeiträgen (vgl. Zöller/Herget, 29. Aufl., § 9 ZPO Rz. 1).
Deshalb kommt es nicht in Betracht, im Rahmen eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Versicherungsvertrages nach § 3 ZPO allein deshalb einen kürzeren Zeitraum zugrunde zu legen, weil eine grundsätzlich gegebene Kündigungsmöglichkeit besteht. Denn § 9 Satz 1 ZPO bleibt auch dann anwendbar, wenn ein dreieinhalbjähriger Bezug nicht sicher zu erwarten und zweifelhaft ist; ein Abschlag darf wegen dieser Unsicherheit nicht vorgenommen werden (Thomas/Putzo/Hüßstege, ZPO, 33. Aufl., § 9 Rz. 4). Entscheidend ist allein, ob das fragliche Recht eine Dauer von wenigstens dreieinhalb Jahren haben kann und der Bezugszeitraum nicht bestimmt ist (MünchKomm/Wöstmann, a.a.O.; Musielak/Heinrich, ZPO, 9. Aufl., § 9 Rz. 5). § 9 ZPO greift ein, auch wenn das Recht auf die wiederkehrende Leistung durch Kündigung zum Wegfall gebracht werden kann (Musielak/Heinrich, a.a.O., § 9 ZPO Rz. 6). Deshalb ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob für den Versicherungsnehmer im Rahmen des auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Versicherungsvertrages eine Kündigungsmöglichkeit besteht und welche Kündigungsfristen hierfür vorgesehen sind.
Anderes gilt jedoch, wenn der Versicherungsnehmer von einer ihm eingeräumten Kündigungsmöglichkeit während des Rechtsstreits Gebrauch macht. Ab diesem Zeitpunkt steht die Dauer des Versicherungsvertrages fest, so dass sich - bei entsprechend angepasstem Antrag - der Streitwert ab diesem Zeitpunkt bis zur Beendigung des Vertrages nach § 9 Satz 2 ZPO bemisst. Hier hat der Versicherer der Beendigung des Versicherungsvertrages durch Antragsumstellung mit Schriftsatz vom 10.5.2012 Rechnung getragen, so dass ab diesem Zeitpunkt der geringere Streitwert gem. § 9 Satz 2 ZPO maßgeblich ist.
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 68 Abs. 3 GKG nicht veranlasst.
Fundstellen