Leitsatz (amtlich)
Die fehlende Belehrung nach § 35 a Satz 2 StPO führt dazu, dass die Versäumung der Berufungshauptverhandlung nach §§ 329 Abs. 3, 44 S. 2 StPO als unverschuldet anzusehen ist.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 23.10.2013) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Bielefeld vorn 23. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Minden verhängte mit Urteil vom 12. Juli 2011 gegen den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr fünf Monaten. In der Sitzungsniederschrift der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Minden am 12. Juli 2011 heißt es nach Urteilsverkündung: "Rechtsmittelbelehrung ist erfolgt." Über weitergehende Belehrungen ist dort nichts vermerkt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit dem am 18. Juli 2011 beim Amtsgericht Minden eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz vom 14. Juli 2011 Berufung ein.
Nach Eingang der Akten am 28. Oktober 2011 beim Berufungsgericht bestimmte der Vorsitzende der zuständigen 12. Strafkammer am 20. März 2013 Termin zur Hauptverhandlung über die Berufung des Angeklagten auf den 16. April 2013. Nachdem ausweislich der sich bei den Akten befindlichen Postzustellungsurkunde vom 23. März 2013 die Zustellung der Ladung unter der zuletzt in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Minden vom Angeklagten angegebenen Anschrift gescheitert war, eine EMaB-Anfrage vom 2. April 2013 ergeben hatte, dass der Angeklagte unbekannt verzogen war und eine Anfrage an den Verteidiger ergab, dass auch dieser seinen Mandanten nicht erreichen könne, verlegte der Vorsitzende der 12. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld den Termin zur Hauptverhandlung auf den 6. Mai 2013 und ordnete mit Beschluss vom 8. April 2013 die öffentliche Zustellung der Ladung des Angeklagten nach § 40 Abs. 3 StPO an. Über die Möglichkeit der öffentlichen Zustellung in einem vom Angeklagten betriebenen Berufungsverfahren unter den erleichterten Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 StPO und deren Rechtsfolgen war der Angeklagte durch das Berufungsgericht nicht belehrt worden.
Zum Berufungshauptverhandlungstermin am 6. Mai 2013 erschien der Verteidiger des Angeklagten, nicht aber der Angeklagte selbst. Daraufhin verwarf der Vorsitzende der 12. Strafkammer die Berufung des im Wege der öffentlichen Zustellung geladenen Angeklagten mit Urteil vom selben Tage gemäß § 329 StPO.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13. Mai 2013, eingegangen beim Landgericht Bielefeld am selben Tage, hat der Angeklagte beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Berufungshauptverhandlung erneut durchzuführen, und für den Fall der Verwerfung des Antrags auf Wiedereinsetzung Revision eingelegt. Der Angeklagte hat dazu geltend gemacht, er sei ohne Verschulden am rechtzeitigen Erscheinen in der Hauptverhandlung am 6. Mai 2013 verhindert gewesen, weil er sich an diesem Tage noch in der JVA Bielefeld-Brackwede befunden habe. Tatsächlich befand sich der. Angeklagte ausweislich der Mitteilung der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 1. Juli 2013 im Zeitraum vom 9. März bis 7. Mai 2013 zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe in anderer Sache in der JVA Bielefeld- Senne.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die 12. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung als unbegründet verworfen. 'Gegen diesen dem Verteidiger. des Angeklagten ausweislich seiner Angaben am. 28. Oktober 2013 zugestellten Beschluss hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 4. November 2013, eingegangen beim Landgericht Bielefeld am selben Tage, sofortige Beschwerde erhoben.
II.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hält das Rechtsmittel für unbegründet. Sie hat zudem die Verwerfung der Revision des Angeklagten als unzulässig beantragt.
Die gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde gegen den die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung gemäß § 329 Abs. 3 StPO ablehnenden Beschluss des Landgerichts Bielefeld ist begründet. Dem Angeklagten ist nach §§ 329 Abs. 3, 44 S. 1 und 2 StPO die Wiedereinsetzung zu gewähren, weil er entgegen § 35 a S. 2 StPO nicht über die Möglichkeit der Zustellung der Ladung zur Berufungshauptverhandlung unter den erleichterten Voraussetzungen des § 40 Abs. 3 StPO belehrt worden ist.
1.
Der Angeklagte ist ausweislich der Sitzungsniederschrift der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Minden am 12.07.2011 nicht über die Möglichkeiten des § 40 Abs. 3 StPO belehrt worden. In der S...