Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzungseinwand. notwendiger Tatsachenvortrag. Pflicht zur Ausschöpfung der Rügefrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der Besetzungseinwand muss innerhalb der in § 222b Abs. 1 Satz 1 StPObenannten neu eingeführten (Wochen-)Frist entsprechend den Begründungsanforderungen gemäß § 344 Abs. 2 StPO ohne Bezugnahmen und Verweisungen aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz StPO zuständige Rechtsmittelgericht allein aufgrund der Begründungsschrift ermöglicht wird.
2. Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen (Anschluss an OLG Celle, Beschluss vom 27. Januar 2020 zu 3 Ws 21/20, zitiert nach juris Rn. 5).
3. Der die Gerichtsbesetzung rügende Verfahrensbeteiligte ist gehalten, alle ihm zumutbaren Informationsmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen bzw. nutzbar zu machen, um sämtliche entscheidungserhebliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen, und zwar gegebenenfalls auch unter vollständiger Ausschöpfung der gesetzlichen Frist.
Normenkette
StPO § 222b
Tenor
Der Besetzungseinwand wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Angeklagte hat sich in einer ab dem 07. August 2020 neu begonnenen Hauptverhandlung vor der 34. großen Strafkammer (im Weiteren: Strafkammer) des Landgerichts Dortmund wegen des Vorwurfs des mehrfachen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu verantworten. Durch Beschluss vom 10. Juni 2020 hatte die Strafkammer eine bereits seit dem 09. März 2020 gegen den Angeklagten durchgeführte Hauptverhandlung ausgesetzt und für die neu zu beginnende Hauptverhandlung ihre Besetzung mit drei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen beschlossen. Da die stellvertretende Vorsitzende der Strafkammer infolge ihrer Zeugeneinvernahme vor Aussetzung der Hauptverhandlung als erkennende Richterin ausschied und sich damit ein Vertretungsfall der mit (lediglich) zwei Beisitzern und dem Vorsitzenden besetzten Strafkammer ergab, teilten die Vorsitzenden der vorrangig zur Vertretung berufenen 35. und 36. großen Strafkammern des Landgerichts Dortmund auf Anfrage des Vorsitzenden der Strafkammer im Hinblick auf die zuvor in Absprache mit den Verteidigern koordinierten Termine für den Neubeginn und die Fortsetzung der Hauptverhandlung Verhinderungen der jeweiligen beisitzenden Kammermitglieder durch Urlaub und eigene Sitzungstätigkeit mit. Infolgedessen wurde dem Angeklagten bzw. den Verteidigern unter dem 17. Juli 2020 die Besetzung der Strafkammer unter Beteiligung ihres Vorsitzenden, der weiteren Beisitzerin und der dienstjüngsten Planrichterin der 37. Strafkammer (als Vertreterin) sowie zwei namentlich benannter Schöffen mitgeteilt.
Gegen diese Kammerbesetzung, die seinem Verteidiger Rechtsanwalt T am 22. Juli 2020 zugestellt wurde, wendet sich der Angeklagte mit seinem durch anwaltlichen Schriftsatz des Rechtsanwalts T vom 29. Juli 2020 erhobenen Besetzungseinwand (§ 222b StPO), der per Fax am selben Tag um 14:24 Uhr an das Landgericht Dortmund übersandt wurde und mit dem er unter näheren Ausführungen geltend macht, infolge der Vertretung durch die jüngste Planrichterin der 37. Strafkammer sei die Strafkammer vorschriftswidrig besetzt. Ungeachtet dessen, dass in Bezug auf die vorgenannte Planrichterin eine grundrechtswidrige richterliche Sonderzuweisung vorgenommen worden sei, sei nicht nachvollziehbar, ob tatsächlich ein den Vertretungsfall durch diese Planrichterin auslösender Sachverhalt vorliege, obwohl nach der Geschäftsverteilung zuvörderst - nach aufsteigendem Dienstalter - die Beisitzer der 35. großen Strafkammer und bei deren Verhinderung die Beisitzer der 36. großen Strafkammer zur Vertretung berufen seien. Auf eine an die Strafkammer gerichtete Bitte um weitergehende Informationen zur Grundlage der mitgeteilten Kammerbesetzung mit Schriftsatz des Verteidigers Rechtsanwalt T vom 23. Juli 2020 habe der Vorsitzende der Strafkammer lediglich einen bis dahin nicht mitgeteilten Vermerk vom 08. Juli 2020 folgenden Inhalts übersandt:
"Die Vorsitzenden der 35. und 36. Strafkammer haben Verhinderungen der Kammermitglieder durch Urlaub und eigene Sitzungstätigkeit der Kammern mitgeteilt. Die in der Reihenfolge nächst berufene 37. Strafkammer kann eine Vertreterin stellen. T1 ist die dienstjüngste Planrichterin der 37. Strafkammer."
Obwohl - so die Begründung des Besetzungseinwandes weiter - Rechtsanwalt T mit Fax an den Strafkammervorsitzenden vom 27. Juli 2020 unter Bezugnahme auf diese Mitteilung "nochmals um Übersendung sämtlicher Unterlagen und Erkenntnisse" gebeten habe, die eine Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und des Geschäftsverteilungsplans ermöglichten, sei darauf "keine Reaktion" erfolgt bzw., seiner Bitte sei "der Vorsitzende bis zum heutigen Tage nicht nachg...