Leitsatz (amtlich)
Allein der Umstand, dass der Angeklagte mit dem mit einem sog. "roten Kennzeichen" versehenen Kraftfahrzeug keine Probe- oder Überführungsfahrt durchgeführt hat, sondern sich auf einer Einkaufsfahrt befand, führt nicht zur Verwirklichung des Straftatbestandes der §§ 1, 6 PflVG.
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 30.08.2006) |
Tenor
1.)
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
2.)
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bochum vom 30. August 2006 wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Herne hat den Angeklagten durch Urteil vom 09. September 2005 (Bl. 33 ff. d.A.) wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Versicherungsschutz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10,00 EUR verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten vom 13. September 2005 (Bl. 32 d.A.) hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum durch Urteil vom 08. August 2006 mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 8,00 EUR verurteilt wird (Bl. 55 ff. d.A.). Die Kammer hat in der Sache u.a. folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte besaß mehrere Kleinkrafträder. Am 14.01.2005 befuhr er mit dem Kleinkraftrad Herkules Supra 4 GP gegen 16:00 Uhr in Herne die Rottbuchstraße und im weiteren Verlauf die Juliastraße bis zum Parkplatz der Firma Real, wobei sich an seinem Kleinkraftrad ein rotes Versicherungskennzeichen befand, welches lediglich für Probe- bzw. Überführungsfahrten genutzt werden darf. Der Angeklagte führte eine derartige Fahrt nicht durch, sondern beabsichtigte einzukaufen. Er schraubte das rote Kennzeichen nach seinen eigenen Angaben gegenüber den ihn kontrollierenden Polizeibeamtinnen, den Zeuginnen M. und H., jeweils an das jenige seiner mehreren Kleinkrafträder, welches er gerade benutzte, da er nicht einsah, alle seine Kleinkrafträder zu versichern."
Gegen dieses dem Angeklagten am 12. September 2006 gegen Zustellungsurkunde zugestellte Urteil (Bl. 59 a d.A.) richtet sich die am 15. August 2006 beim Landgericht Bochum eingegangene Revision des Angeklagten vom selben Tage (Bl. 51 d.A.). In der Rechtsmittelschrift hat der Angeklagte zugleich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers beantragt. Diesen Antrag hat das Landgericht Bochum durch Beschluss vom 30. August 2006 (Bl. 61 d.A.) zurückgewiesen. Auch gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte mit der am 12. Oktober 2006 zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Landgerichts Bochum abgegebenen Rechtsmittelbegründung, mit der die Revision mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist (Bl. 64 ff. d.A.). Das Landgericht Bochum hat der Beschwerde durch Beschluss vom 18. Oktober 2006 (Bl. 73 d.A.) nicht abgeholfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zu verweisen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat weiterhin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
1.
Das angefochtene Urteil ist auf die Sachrüge hin aufzuheben, so dass auf die Verfahrensrüge nicht näher eingegangen werden muss. Die Feststellungen vermögen die Verurteilung des Angeklagten wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz gemäß §§ 1, 6 PflVG nicht zu tragen. Allein der Umstand, dass der Angeklagte keine Probe- oder Überführungsfahrt durchgeführt hat, sondern sich auf einer Einkaufsfahrt befand, führt nicht zur Verwirklichung des Straftatbestandes der §§ 1, 6 PflVG.
Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 PflVG setzt den Gebrauch eines Fahrzeugs - oder dessen Gestattung - auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ohne wirksamen Haftpflichtversicherungsvertrag voraus (BGHSt 32, 152; 33, 172; KG VRS 67, 154). Kleinkrafträder sind Kraftfahrzeuge im Sinne des Pflichtversicherungsgesetzes und unterliegen daher der Versicherungspflicht (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Auflage, vor § 29a StVZO Rn. 16)
Entgegen dem früherem Recht kommt es nicht allein auf das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes an, sondern vor allem darauf, ob dieser Schutz auf Grund eines während des Gebrauchs des Kraftfahrzeugs wirksam bestehenden Haftpflichtversicherungsvertrages gewährt ist (vgl. BayObLGSt 1993, 75 = NZV 1993, 449). Die durch das 2. Verkehrssicherungsgesetz vom 26. November 1964 eingeführte Änderung der Strafvorschrift des § 6 (früher § 5) PflVG bezweckte lediglich, die Nachhaftung zum Schutz des geschädigten Dritten nach § 3 Nr. 5 PflVG (früher § 158 c Abs. 2 VVG) nicht dem zugute kommen zu lassen, der ohne Haftpflichtversicherungsvertrag auf öffentlichem Verkehrsgrund fährt (vgl. Hentschel, a.a.O., vor § 29a StVZO Rn. 17). Bei der Neurege...