Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsunfähigkeitsversicherung: Keine "Konkrete Verweisung" auf eine nur befristete Stelle
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Versicherter mit zu gesunden Zeiten unbefristetem, sicherem Arbeitsplatz (hier: Berufssoldat) nunmehr einen lediglich auf zwei Jahre befristeten Arbeitsplatz als wissenschaftlicher Mitarbeiter, so stellt dies keine "entsprechende Lebensstellung" dar.
Tenor
Die Berufung ist nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.
I. Der als Berufssoldat wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung anerkannt berufsunfähige Kläger nimmt die Beklagte auf (weitere) Berufsunfähigkeitsleistungen in Anspruch. Diese hatte die seit 2005 erbrachten Rentenzahlungen wegen Verweisung des Klägers auf seine nach einem Germanistikstudium im Jahr 2013 aufgenommene zeitlich befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Fachhochschule eingestellt.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die von der Beklagten geltend gemachte konkrete Verweisung scheitere daran, dass die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter schon wegen ihrer Befristung auf zwei Jahre nicht der versicherten Lebensstellung des Klägers entspreche. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dürfe der Versicherer nach seinem Anerkenntnis freiwillig neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherungsnehmers nur dann berücksichtigen, wenn diese zu einer Festanstellung geführt hätten. Insoweit sei ein befristetes Arbeitsverhältnis wie das des Klägers mit einem Schonarbeitsplatz gerade nicht vergleichbar.
Im Übrigen sei die Berücksichtigung neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten nach den vereinbarten Bedingungen auch deshalb zweifelhaft, weil sie nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 EBP 801 gerade nicht vorgesehen sei. Nach dem Stichtagsprinzip sei auch für die konkrete Verweisung vielmehr allein auf den Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit abzustellen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält daran fest, dass die Befristung der neu aufgenommenen Tätigkeit der Verweisung nicht entgegenstehe, weil das Arbeitsmarktrisiko gerade nicht versichert sei. Deshalb sei auch eine Verweisung auf einen Schonarbeitsplatz zulässig. Maßgeblich sei, ob die neue Tätigkeit die Lebensstellung des Versicherungsnehmers präge, was schon nach etwa sechs Monaten anzunehmen sei. Für die Verweisung dürften dann auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden.
Die Beklagte beantragt daher, das Endurteil des LG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Beklagte ist aufgrund des von ihr erklärten Anerkenntnisses weiter verpflichtet, dem Kläger die vertraglich zugesagten Berufsunfähigkeitsleistungen zu gewähren. Sie ist nicht gem. § 33 Abs. 4 EBP 801 zur Einstellung ihrer Leistungen berechtigt, weil die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht weggefallen ist.
Die Berufsunfähigkeit ist insbesondere nicht deshalb entfallen, weil der Kläger eine andere Tätigkeit iSd § 15 Abs. 1 EBP 801 ausübt, die er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.
Dabei kann offen bleiben, inwieweit die erst nach Eintritt der Berufsunfähigkeit infolge des Germanistik-Studiums vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der nachträglichen Prüfung einer konkreten Verweisung gem. § 33 Abs. 1 EBP 801 Berücksichtigung finden dürfen.
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die vom Kläger aufgenommene halbschichtige und auf zwei Jahre befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Fachhochschule der bisherigen Lebensstellung des Klägers als Berufssoldat entspricht. Der bloße Vergleich der Einkommenslage genügt für die Feststellung einer vergleichbaren Lebensstellung nicht. Zwar dient die Berufsunfähigkeitsversicherung dazu, den durch die in gesunden Tagen durch die berufliche Tätigkeit geschaffenen wirtschaftlichen und sozialen Status des Versicherten vor schicksalhaften Veränderungen seiner physischen und psychischen Konstitution abzusichern. Dieser Status wird maßgeblich auch durch das beruflich erzielte Einkommen geprägt, weshalb die Zulässigkeit einer Verweisung ganz entscheidend davon abhängt, inwieweit der materielle Ertrag der neuen Tätigkeit den vorherigen Einkommensverhältnissen entspricht (vgl. Beckma...