Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhältnismäßigkeit des Teilsorgerechtsentzugs
Leitsatz (redaktionell)
Der Entzug von Teilbereichen der elterlichen Sorge (hier: Aufenthaltsbestimmungsrecht, Gesundheitssorge und Antragstellung nach SGB VIII) unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a; GG Art. 6; EMRK Art. 8
Verfahrensgang
AG Unna (Beschluss vom 21.08.2009; Aktenzeichen 12 F 11182/08) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des AG - Familiengerichtsgerichts - Unna vom 21.8.2009 (12 F 11182/08) wie folgt abgeändert:
Den Kindeseltern wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht, Anträge nach § 27 ff. SBG VIII zu stellen, für die Kinder Manoel-Maurice K, geb. ...2001, und Emily-Marie K, geb. ...2007, entzogen und Frau I als Mitarbeiterin des Sozialdienstes Katholischer Frauen e.V., V als Pflegerin übertragen.
Im Übrigen bleibt es beim Sorgerecht der Kindesmutter.
Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.
Gründe
I. Die Beschwerdeführerin und Kindesmutter wurde am 4.3.1975 geboren. Sie ver-fügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung und hat bereits in ihrer Kindheit verschiedene Gewalterfahrungen gemacht.
Der Kindesvater wurde am 9.10.1972 geboren. Er ist von Beruf Ofen-, Lüftungs- und Heizungsbauer.
Beide sind seit mehr als 20 Jahren ein Paar und seit 31.1.1997 miteinander verheiratet.
Aus der Beziehung sind die beiden Kinder Manuel-Maurice K, geboren am ...2001, und Emily-Marie K geboren am ...2007 hervorgegangen.
Bereits am 2.6.2004 kam es im Haushalt der Familie K/L zu ei-nem Polizeieinsatz, nachdem es zu einem Angriff der seinerzeit stark alkoholisierten Kindesmutter mit einem Küchenmesser auf den Kindesvater gekommen war.
Am 2.2.2005 wurde der damals 4jährige Manuel im sozialpädiatrischen Zentrum V2 vorgestellt, und zwar aufgrund eines extrem aggressiven Verhaltens. Vom 11.7.2005 bis 13.7.2005 wurde Manuel dort stationär behandelt. Die Ärzte stellten hierbei eine "erzieherische Überforderung der Kontaktpersonen" fest und bei Manuel als Folge davon eine "Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigem Verhalten".
Am 6.8.2006 kam es in einer Gaststätte zu einem Streit zwischen der damals ebenfalls alkoholisierten Kindesmutter (ein freiwilliger Alkoholtest ergab einen Wert von 1,39 Promille) und einem anderen Gast. Im Verlauf dieser Auseinandersetzung schlug die Kindesmutter dem anderen Gast mit einem leeren Bierglas auf den Kopf, wobei das Opfer leicht verletzt wurde.
In der Folgezeit wurde Manuel wegen eines bei ihm diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizitsyndroms (ADHS) mit Ritalin behandelt.
Das Jugendamt der Stadt V betreute die Familie seit Mai 2007.
Am 27.4.2008 kam es im Haushalt der Familie K/L zu einem weiteren Polizeieinsatz. Unter erheblichem Alkoholeinfluss war es zwischen den Kindeseltern zu einem erneuten Streit gekommen, wobei sich die Beteiligten - so der Polizeibericht - gegenseitig auch "geschubst" hätten. Der seinerzeit 7jährige Manuel hatte zuvor unter dem Eindruck des heftigen Streites zwischen seinen Eltern die Wohnung verlassen und Zuflucht bei seiner Großmutter, der Mutter der Kindesmutter, die in der Nachbarschaft wohnt, gesucht. Diese hatte schließlich ihre andere Tochter alarmiert, die ihrerseits die Polizei verständigt hat. Bei ihrem Eintreffen fanden die Polizisten die Wohnung in einem insgesamt sehr unordentlichen Zustand vor, eine Vielzahl leerer Bier- und Sektflaschen habe - so der Einsatzbericht (Bl. 30 f. d.A.) - herumgestanden, der Fußboden der Küche sei großflächig mit Scherben übersät und die Kindesmutter augenscheinlich stark alkoholisiert gewesen. Der Kindesvater habe sich sehr niedergeschlagen gezeigt. Er habe angegeben, dass seine Frau regelmäßig zu viel Alkohol trinke. Er selbst würde jeden Tag arbeiten und seine Frau bei der Rückkehr in einem desolaten Zustand vorfinden. In der Vergangenheit sei dieser Zustand schon einmal darin gegipfelt, dass Manuel seine Oma aufgesucht habe, da seine Mutter nicht mehr Herrin der Lage gewesen sei. Die Oma habe ihre Tochter dann völlig betrunken und hilflos in der Wohnung aufgefunden. Mit der Kindesmutter habe man - so der Polizeibericht weiter - während des Einsatzes kaum sprechen können. Sie sei aggressiv und sehr aufbrausend gewesen und habe sich von ihrer Familie verfolgt gefühlt. Zu einem Alkoholtest sei sie nicht bereit gewesen.
Am 23.8.2008 kam es zu einem erneuten Polizeieinsatz in der Wohnung der Familie K/L. Manuel - so der Polizeibericht (Bl. 27 ff. d.A.) - sei abermals zu seiner Oma gekommen und habe angegeben, dass sein Vater blute. Der Stiefvater der Kindesmutter habe darauf hin die Polizei gerufen. Beide Kindeseltern seien erheblich alkoholisiert gewesen. Auf dem Sofa habe das ca. 1 Jahr alte Kind (Emily) gelegen. Nach den Angaben der Beteiligten habe man im Laufe des Tages erhebliche Mengen Alkohol konsumiert. Es sei hierbei zu Streitigkeiten gekommen. Diese hätten darin gemündet, dass der ...