Entscheidungsstichwort (Thema)
Mutwilligkeit bei Geltendmachung bereits im einstweiligen AO-Verfahren titulierten Unterhalts im Hauptsacheverfahren
Normenkette
FamFG §§ 76, 49, 246
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 13.08.2010; Aktenzeichen 101 F 199/10) |
Tenor
1. Das Verfahren wird vom Einzelrichter auf den Senat übertragen.
2. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 23.8.2010 wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Essen vom 13.8.2010, der als Erlassdatum den 16.8.2010 trägt, abgeändert.
Der Antragstellerin wird für die erste Instanz auch insoweit ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin R aus H bewilligt, soweit sie Kindesunterhalt für X, geb. am 4.1.1999, für die Monate Juni bis einschließlich Dezember 2010 i.H.v. monatlich 456 EUR verlangt und soweit sie ab Januar 2011 Unterhalt i.H.v. monatlich 518 EUR verlangt (Antrag zu 3.).
Gründe
I. Die zulässige sofortige Beschwerde (§ 76 Abs. 2 FamFG, §§ 127, 567 ff. ZPO) ist begründet. Der Antragstellerin ist auch insoweit Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, als das AG - Familiengericht - Verfahrenskostenhilfe versagt hat, d.h. hinsichtlich des Unterhalts für das Kind X für die Monate Juni bis einschließlich Dezember 2010 i.H.v. 456 EUR/Monat und für die Zeit ab Januar 2011 i.H.v. monatlich 518 EUR. Die Bedürftigkeit der Antragstellerin (§§ 114, 115 ZPO) hat bereits das AG - Familiengericht - bejaht.
1. Eine hinreichende Erfolgsaussicht kann nicht mit der Begründung verneint werden, wegen des Anerkenntnisbeschlusses vom 1.6.2010 in der einstweiligen Anordnungssache 101 F 86/10 AG Essen, durch den ein Kindesunterhalt für X i.H.v. monatlich 456 EUR für die Zeit ab dem 1.3.2010 tituliert worden ist (Bl. 80 f. GA), fehle ein Rechtsschutzinteresse. Hierzu gilt:
Einstweilige Anordnung und Hauptsacheverfahren sind nicht miteinander vergleichbar, da dem einstweiligen Anordnungsverfahren bereits durch die verfahrensrechtliche Gestaltung - summarisches Verfahren, in dem Glaubhaftmachung ausreicht; grundsätzliche Unanfechtbarkeit der Entscheidung (vgl. § 57 FamFG) - eine deutlich geringere Richtigkeitsgewähr als dem Hauptsacheverfahren zukommt. Nur in einem Hauptsacheverfahren kann eine materiell rechtskräftige Entscheidung über den Streitgegenstand herbeigeführt werden; die Entscheidung über die einstweilige Anordnung kann zwar in formelle, nicht aber in materielle Rechtskraft erwachsen (vgl. BGH FamRZ 1983, 355; OLG Karlsruhe FamRZ 2009, 1840; OLG Hamburg FamRZ 1990, 181; OLG Stuttgart FamRZ 1992, 1195; KG FamRZ 1991, 1327; JurisPR-FamR/Stockmann, 5/10 Anm. 3 zu OLG Hamm, Beschl. v. 9.12.2009 - 10 WF 274/09 - zitiert nach Juris; Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 49 FamFG Rz. 4). Da die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren rein prozessualer Natur ist, stellt sie keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen dar und steht daher einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht entgegen (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O., § 49 FamFG Rz. 4). Angesichts dessen besteht trotz einer einstweiligen Anordnung ein Rechtsschutzinteresse daran, einen Titel im Hauptsacheverfahren zu erhalten.
2. Nach Auffassung des Senats ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Streitfall auch nicht mutwillig i.S.v. § 114 ZPO.
Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. Musielak/Fischer, ZPO, 7. Aufl. 2009, § 114 Rz. 30; Zöller/Geimer, a.a.O., § 114 ZPO Rz. 30 m.w.N.). Danach kann Mutwilligkeit - möglicherweise - in den Fällen in Betracht kommen, in denen ein Antragsteller im Hauptsacheverfahren nicht mehr verlangt, als bereits durch die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren tituliert worden ist, und keine Besonderheiten vorliegen, etwa Umstände, die darauf schließen lassen, dass der Unterhaltsschuldner alsbald die Abänderung der Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren beantragen wird. So liegt der Fall hier aber nicht.
Hier wird neben dem bereits titulierten Unterhalt für die Zeit ab Januar 2011 ein um 62 EUR höherer Unterhaltsbetrag/Monat für das Kind X geltend gemacht. Jedenfalls bei dieser Fallgestaltung ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin einen unwirtschaftlichen, unsinnigen Prozess führt, der im Ergebnis "nichts bringt" (vgl. dazu OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 1993, 121). Das Erstreiten eines im vollem Umfang der Rechtskraft fähigen, einheitlichen Titels führt für den Gläubiger zu zahlreichen Vorteilen, die sich insbesondere in möglichen Folgeprozessen zeigen (vgl. OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 1993, 121 f.; Musielak/Fischer, a.a.O., § 114 Rz. 39). So muss der Unterhaltsberechtigte nicht aus zwei verschiedenen Titeln vollstrecken; auch werden Unklarheiten darüber vermieden, auf welchen Titel der Unterhaltsschuldner ggf. gezahlt hat (zu diesem Gesichtspunkt vgl. auch BGH, Beschl. v. 2.12.2009 - XII ZB 207/08 - freilich zu § 93a ZPO). Zudem ist, wie bereits ausgeführt, in den Familienstreitverfahre...