Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung eines ehebedingten Nachteils für das Vorliegen einer langen Ehe gem. § 1609 Nr. 2 BGB.
2. Zur Herabsetzung und/oder Befristung des nachehelichen Unterhalts, wenn der ehebedingte Nachteil gem. § 1578b BGB in der Nichterlangung einer Erwerbsminderungsrente besteht.
Normenkette
BGB §§ 1572, 1573 Abs. 2, § 1609 Nrn. 2-3, § 1578b
Verfahrensgang
AG Lüdinghausen (Beschluss vom 08.03.2012; Aktenzeichen 14 F 199/10) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Antragstellerin vom 17.04.2012 und des Antragsgegners vom 23.04.2012 wird der am 08.03.2012 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Lüdinghausen im Ausspruch zum nachehelichen Unterhalt (Ziff. 4 der angefochtenen Entscheidung) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab Januar 2014 nachehelichen Unterhalt in folgender monatlicher Höhe zu zahlen:
a)bis einschließlich Dezember 2015: 888,00 EUR,
b) ab Januar 2016: 425,00 EUR.
Der Unterhalt ist monatlich im Voraus zu zahlen und zum Ersten eines jeden Monats fällig.
Der weiter gehende Antrag und die weiter gehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird angeordnet.
Der Verfahrenswert für die Beschwerde der Antragstellerin wird auf 8.685,84 EUR, für die Beschwerde des Antragsgegners auf 13.485,84 EUR und insgesamt auf 22.171,68 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten zweitinstanzlich noch um nachehelichen Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung.
Die am ...1962 geborene Antragstellerin und der am ...1957 geborene Antragsgegner heirateten am ...1986. Aus ihrer Ehe gingen zwei Söhne, der am ...1987 geborene D und der am ...1992 geborene V, hervor.
Die Beteiligten trennten sich im August 2007. Der Scheidungsantrag wurde am 13.12.2010 zugestellt. Die Ehe der Beteiligten wurde durch den - nur hinsichtlich des nachehelichen Unterhalts angefochtenen - Beschluss des AG Lüdinghausen vom 08.03.2012 geschieden. Die Ehescheidung ist seit dem 26.06.2012 rechtskräftig.
Die Beteiligten sind zu je ½ Miteigentümer der Immobilie X, die der Antragsgegner seit der Trennung bewohnt. Den Wohnvorteil für die vom Antragsgegner bewohnte Wohnung haben die Beteiligten im Senatstermin am 14.01.2013 in Höhe von 734,00 EUR monatlich unstreitig gestellt. Das Obergeschoss der 1995 erbauten Immobilie ist für eine Kaltmiete in Höhe von 411,00 EUR monatlich vermietet. Der Antragsgegner zahlt die Zins- und Tilgungsleistungen für die zur Finanzierung aufgenommenen drei Darlehen bei der LBS und für ein Darlehen bei der NRW-Bank.
Die Antragstellerin verließ die Hauptschule im Juni 1977 mit Abschluss nach der Klasse 9. Sie begann eine Lehre als Fleischereifachverkäuferin, die sie jedoch nicht abschloss, weil sie nach zwei Jahren einen Unfall erlitt und dabei ihr Knie schwer verletzt wurde. Im weiteren Verlauf erlernte sie keinen neuen Beruf, sondern arbeitete als Servicekraft in einem Gaststättenbetrieb bis Ende 1986. Während der Ehe ging die Antragstellerin zeitweilig einer geringfügigen Beschäftigung nach. So war sie vom 01.04.1999 bis 31.12.2000 beim Gut F und vom 01.02.2003 bis 31.10.2003 in einer Bäckerei (bis zu deren Insolvenz) tätig. Seit dem 12.03.2008 arbeitet die Antragstellerin als Taxifahrerin bei der Firma U in M, und zwar bis Juni 2012 als geringfügig Beschäftigte mit 390,00 EUR monatlich und seit Juli 2012 versicherungspflichtig als Teilzeitkraft. Die Antragstellerin war vom 17.04.2013 bis 31.07.2013 arbeitsunfähig erkrankt. Sie wurde am 18.04.2013 im St. E-Krankenhaus in X operiert. Es wurde eine Sequesterotomie LWK 5/SWK 1 links intraforaminimal und eine Neurolyse L 5 links durchgeführt. Vom 15.05.2013 bis 11.06.2013 befand sich die Antragstellerin in einer von der DRV Westfalen finanzierten Anschlussheilbehandlung in der reha Z, aus der sie arbeitsunfähig entlassen wurde. Die Antragstellerin bezog vom 29.05.2013 bis zum 11.06.2013 Übergangsgeld in Höhe von 11,01 EUR täglich netto und vom 12.06.2013 bis 31.07.2013 Krankengeld in Höhe von täglich 11,49 EUR netto. Seit dem 07.11.2013 ist die Antragstellerin erneut arbeitsunfähig.
Der Antragsgegner ist Zimmerermeister. Die Meisterschule besuchte er von September 1987 bis April 1988. Der Antragsgegner arbeitet seit dem 01.08.1988 bei der Firma Q in G. Seit dem 31.12.2012 ist der Antragsgegner in zweiter Ehe verheiratet. Seine zweite Ehefrau, W, bezieht seit 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung und ist aufgrund ihrer Erkrankungen (drei Operationen an der Lendenwirbelsäule mit Protheseneinsatz/Knieteilschlittenprothese rechts) nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der gemeinsame Sohn der Beteiligten, D, studiert in den Niederlanden Psychologie. Er musste sein Studium wegen einer psychischen Erkrankung unterbrechen, befindet sich derzeit noch in Behandlung und ist nicht voll belastbar. Derzeit macht er seinen Master. Voraussichtliches Studi...