Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsgebühr im Vergütungsprozess bei Einigung über betragsmäßige Bewertung von Mängeln
Leitsatz (amtlich)
Einigen sich die Parteien im Vergütungsprozess über die betragsmäßige Bewertung von Mängeln, so liegt hierin ein die Vergleichsgebühr auslösender Teilvergleich.
Normenkette
BGB § 779; BRAGO § 23 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 9 O 160/99) |
Tenor
Der der Klägerin durch den Beklagten zu erstattende Betrag wird abändernd auf 4.698,90 DM festgesetzt.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von 302,40 DM.
Gründe
Die als „Erinnerung” bezeichnete zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin (§§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RpflG) hat Erfolg.
Entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin ist entsprechend dem Begehren der Klägerin für beide Parteien gem. § 23 Abs. 1 S. 3 BRAGO eine Vergleichsgebühr nach einem Gegenstandswert von 8.065,82 DM anzusetzen, die sich jeweils auf 540 DM beläuft. Da der Beklagte nach dem am 22.9.2000 verkündeten Urteil des LG 78 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, entfallen von den beiden Vergleichsgebühren auf ihn 824,40 DM (78 % von 2 × 540 DM), so dass sich der von ihm nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3.1.2001 der Klägerin zu erstattende Betrag um 302,40 DM (824,40 DM abzüglich der eigenen Kosten des Beklagten von 540 DM) auf 4.698,90 DM erhöht.
Nach § 23 Abs. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs i.S.v. § 779 BGB eine volle Gebühr, wenn über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist. Der Gebührentatbestand ist hier erfüllt, weil sich die Parteien unter Mitwirkung ihrer Anwälte im Kammertermin vom 1.9.2000 wie folgt geeinigt haben:
Sämtliche in diesen Rechtsstreit eingeführten Mängel einschließlich der Einwendungen des Beklagten zur Rechnungsposition 32 (Estrich) sollen mit einem Abzug von der klägerischen Restwerklohnforderung i.H.v. 2.900 DM abschließend bewertet werden.
Ein Vergleich ist gem. § 779 Abs. 1 BGB ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Für den Anfall der Vergleichsgebühr genügt ein Teilvergleich, durch den der Streit oder die Ungewissheit über einen qualitativ oder quantitativ ausscheidbaren Teil beendet wird. Dabei ist nicht erforderlich, dass über den Teil des Anspruchs, der verglichen wird, ein Teilurteil ergehen könnte. Nach § 23 Abs. 1 BRAGO kommt es auf die unmittelbare (teilweise) Beilegung des Rechtsstreits nicht an (Fraunholz in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 23 Rz. 16). Ein Teilvergleich ist jedoch von einer reinen Beschränkung des Streitstoffes auf bestimmte Angriffs- oder Verteidigungsmittel zwecks Vereinfachung des Rechtsstreits zu unterscheiden (von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 23 Rz. 15, 18).
Hier haben die Parteien einen materiellen Teilvergleich i.S.v. § 779 BGB geschlossen, indem sie sich im Wege gegenseitigen Nachgebens abschließend auf die Höhe des Betrages geeinigt haben, um den der Vergütungsanspruch der Klägerin wegen Mängeln des hergestellten Werkes zu mindern war. Der Beklagte hatte die Schlussrechnung der Klägerin vom 6.1.1998 mit Schreiben vom 31.3.1998 wegen verschiedener Fehler um insgesamt 7.498 DM gekürzt, wovon die Klägerin 6.732,18 DM nicht anerkannt hatte. Außerdem hatte der Beklagte die Berechtigung eines Betrages von 1.333,64 DM (siehe Seite 11 der Klageschrift) wegen eines angeblich mangelhaften Estrichs bestritten, so dass die am 1.9.2000 noch rechtshängige Klagehauptforderung von 24.541,54 DM wegen dieser Positionen i.H.v. insgesamt 8.065,82 DM streitig war.
Die Parteien haben den Streit um diese Summe zwar nicht durch einen Prozessvergleich i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO beendet. Sie haben aber anlässlich der mündlichen Verhandlung am 1.9.2000 eine Vereinbarung getroffen, die ihrem Sinn nach, ohne so bezeichnet werden zu müssen, ein materieller Vergleich war, was für den Gebührentatbestand des § 23 Abs. 1 BRAGO reicht. Aufgrund des Vergleichs konnte das LG in seinem am 22.9.2000 verkündeten Urteil ohne weitere Sachprüfung die Abzüge des Beklagten von der Schlussrechnung der Klägerin i.H.v. 1.333,64 DM + 6.732,18 DM ./. 2.900 DM als unbegründet beurteilen. Den diesbezüglichen Streit hatten die Parteien durch ihre Einigung beigelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Abänderungsbegehren der Klägerin entspricht, beruht auf § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
Sandmann, Schnapp, Dr. Funke
Fundstellen
Haufe-Index 1105997 |
JurBüro 2002, 27 |
OLGR Hamm 2002, 39 |
BRAGOreport 2002, 38 |