Leitsatz (amtlich)
Macht der Betroffene geltend, er habe ein geschwindigkeitsbeschränkendes Schild übersehen, muss der Tatrichter prüfen, ob dem Betroffenen diese Einlassung zu widerlegen ist und wenn nicht, ob dem Betroffenen möglicherweise gleichwohl der Vorwurf einer groben Pflichtverletzung zu machen ist, oder seine Unkenntnis von der Geschwindigkeitsbegrenzung auf einer grob pflichtwidrigen Vernachlässigung der gebotenen Aufmerksamkeit zurückzuführen ist.
Verfahrensgang
AG Siegen (Entscheidung vom 15.11.2006) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 100,00 EUR festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Dazu hat das Amtsgericht folgende tatsächlichen Feststellungen getroffen:
"Am 14. Februar 2006 befuhr der Betroffene um 10.41 Uhr mit dem PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXX innerhalb der geschlossenen Ortschaft Freudenberg-Bühl die L 908 in Fahrtrichtung Oberholzklau. Nachdem die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 auf 30 km/h begrenzt worden war, betrug seine Geschwindigkeit in Höhe des Hauses der Nr. 164 mindestens 62 km/h. Diese Geschwindigkeit wurde durch eine Messung mit dem Radargerät der Firma Robot des Typs MU VR 6F-2 festgestellt, indem eine Geschwindigkeit von 65 km/h gemessen und ein Toleranzabzug von 3 km/h berücksichtigt wurde. Das Messgerät war zuletzt am 17. Oktober 2005 geeicht worden, wobei die ordnungsgemäße Funktion des Geräts festgestellt und die Gültigkeit der Eichung bis zum 31. Dezember 2006 bescheinigt worden war. Das Messgerät war von dem in Geschwindigkeitsmessungen mit diesem Gerät erfahrenen POK B. entsprechend der Bedienungsanleitung des Herstellers mit einem Winkel von 22 Grad am Vorfallstag aufgestellt worden. Um 7.58 Uhr führte er die Anfangstest durch, die keinen Fehler ergaben. Im aufmerksamen Messbetrieb konnten Störungen im Einsatzablauf nicht festgestellt werden, wobei von insgesamt 856 gemessenen Fahrzeugen 113 zu schnell waren. Der Schlusstest um 12.24 Uhr ergab ebenfalls keine Fehler. Die für die Fahrtrichtung des Betroffenen geltende Beschilderung hatte der Messbeamte vor dem Beginn der Messung überprüft. Der Betroffene hatte die die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzenden Verkehrsschilder mangels ausreichender Konzentration auf den Straßenverkehr nicht wahrgenommen und ging davon aus, dass 50 km/h schnell gefahren werden dürfe."
Der Betroffene hat die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht in Abrede gestellt und sich dahin eingelassen, dass er am Tattage auf dem Wege zu einem Kunden sehr in Gedanken gewesen sei, da ihn ein schwieriges Gespräch erwartet habe. Aus diesem Grund habe er die, die Geschwindigkeit begrenzenden, Schilder nicht gesehen.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen das Regelfahrverbot und die Regelgeldbuße festgesetzt.
Mit seiner Rechtsbeschwerde, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, rügt der Betroffene die Verletzung des sachlichen Rechts und wendet sich insbesondere gegen die Festsetzung des Fahrverbots. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde, die der Betroffene in zulässiger Weise auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt hat, hat - zumindest vorläufig - teilweise Erfolg.
1.
Die vom Amtsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen grundsätzlich die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gem. den §§ 3 Abs. 3, 41, 49 StVO, 24 StVG. Damit ist die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam.
2.
Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt hingegen, worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, einen Rechtsfehler erkennen, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit führt.
Die vom Amtsgericht hierzu bislang getroffenen Feststellungen sind nämlich lückenhaft und rechtfertigen (noch) nicht die Anordnung des verhängten Fahrverbots. Den getroffenen Feststellungen lässt sich nicht ausreichend entnehmen, ob dem Betroffenen zu Recht eine auch subjektiv grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG zur Last gelegt worden ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sog. "Augenblicksversagen" (Beschluss vom 11. September 1997, 4 StR 557/96, NJW 1997, 3252) kommt die Verhängung des Regelfahrverbots dann nicht in Betracht, wenn der Kraftfahrzeugführer zwar eine objektiv grobe Pflichtverletzung begangen hat, diese ihm aber subjektiv nicht vorwerfbar ist. Subjektiv nicht vorwerfbar kann ein Verkehrsverstoß nach der Rechtsprechung u. a. dann sein, wenn er auf einem "Augenblicksversagen" beruht, also...