Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmißbrauch. Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG. mißbräuchliche Verteidigung. Mißbrauch. prozessualer Rechte
Leitsatz (amtlich)
Eine Verletzung des Anspruchs eines Betroffenen auf rechtliches Gehör liegt nicht vor bei einem rechtsmißbräuchlich gestellten Entbindungsantrag nach § 73 Abs. 2 OWiG.
Verfahrensgang
AG Soest (Aktenzeichen 21 OWi 254/14) |
Tenor
I.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG.
Das Verfahren wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung übertragen, § 80 a Abs. 3 OWiG.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Mit seiner auf die Verletzung formellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, wendet sich der Betroffene gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 02. Februar 2015, durch das sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Kreises T - Bußgeldstelle - vom 26. März 2014 (Az.: a2t/#####/####-20 - Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 120,- € wegen Missachtung eines durch Zeichen 278 angeordneten Überholverbots) verworfen worden ist.
II.
1.
Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 OWiG in Verbindung mit § 341 Abs. 1 StPO fristgerecht eingelegt und gemäß § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG in Verbindung mit § 345 Abs. 1 S. 2 StPO rechtzeitig begründet worden. Er führt zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG, weil die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten erscheint.
Infolgedessen war das Verfahren dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zur Entscheidung über die zugelassene Rechtsbeschwerde zu übertragen, §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG (Seitz, in: Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 80 a Rn. 6).
In Bezug auf die Entscheidungen zu Ziff. I. handelt es sich um solche der nach § 80 Abs. 1 OWiG zuständigen Einzelrichterin (vgl. Seitz, in: Göhler, 16. Aufl., § 80 a Rn. 6).
2.
Die Rechtsbeschwerde ist allerdings unbegründet. Der mit der Rechtsbeschwerde gerügte Verfahrensverstoß in Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge einer gesetzeswidrigen Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG liegt nicht vor.
Grundsätzlich gilt, dass ein Urteil bereits dann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn sich das Amtsgericht mit den Gründen des Antrags des Betroffenen, ihn vom persönlichen Erscheinen im Hauptverhandlungstermin zu entbinden, im Urteil nicht befasst hat bzw. sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, warum es dem Antrag nicht entsprochen hat (Beschluss des hiesigen 2. Senats für Bußgeldsachen vom 16. August 2006 zu 2 Ss OWi 348/06, zitiert nach [...] Rn. 14 m.w.N.). Hier hat sich das Amtsgericht weder mit den Gründen des Betroffenen für den Entbindungsantrag befasst noch über den Entbindungsantrag entschieden.
Dennoch ist eine Verletzung des Anspruchs nicht gegeben. In einer Konstellation wie der vorliegenden ist der Anspruch auf rechtliches Gehör nur dann verletzt, wenn die erlassene Entscheidung auf einem Verfahrensfehler beruht, der seinen Grund in der pflichtwidrig unterlassenen Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung eines Entbindungsantrages nach § 73 Abs. 2 OWiG hat.
Dies ist nicht der Fall. Denn der Entbindungsantrag des Betroffenen ist weder rechtzeitig noch in ordnungsgemäßer Form, sondern insbesondere unter Verstoß gegen das allgemeine Missbrauchsverbot im Strafprozess (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 11. August 2006 zu 3 StR 284/05, zitiert nach [...] Rn. 16 m.w.N.), das erst Recht im Ordnungswidrigkeitenverfahren gilt (vgl. Beschluss des hiesigen 3. Strafsenats vom 27. Januar 2015 zu III-3 RBs 5/15), gestellt worden, weswegen ihn das Amtsgericht offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen und nur deshalb (nicht pflichtwidrig) nicht beschieden hat.
Der Schriftsatz des Verteidigers vom 02. Februar 2015, der (auch) den Entbindungsantrag enthält, ist am selben Tage um 09:52 Uhr per Fax abgesandt worden und um 10.00 Uhr beim Amtsgericht Soest eingegangen. Er umfasst insgesamt etwa anderthalb eng beschriebene Din A-4-Seiten. Zwar enthält er unter "Eilt, bitte sofort vorlegen" einen Hinweis auf den am selben Tage stattfindenden Hauptverhandlungstermin um 13.00 Uhr und den weiteren Zusatz: "1. Etage, Sitzungssaal 1, O-Straße, T!", inhaltlich befasst er sich aber zunächst ausführlich mit dem bisherigen Verfahrensgang und der - nach Meinung des Betroffenen bzw. seines Verteidigers - stattgehabten Versagung ausreichender Akteneinsicht durch das Amtsgericht. Im weiteren Fließtext schließt sich sodann ein Ablehnungsantrag wegen der Besorgnis der Befangenheit gegen den zuständigen Amtsrichter an. Im Zuge dieser Ausführungen, ohne dass dies an dieser Stelle notwendig oder zu erwarten gewesen wäre, insbesondere ohne Absatz oder Hervorhebung im Text (z.B. durch Fettdruck), wird erstmalig und eher beiläufig erwähnt, dass der Betroffene am Hauptverhandlu...