Leitsatz (amtlich)
Zur Wirksamkeit der Berufungsbeschränung durch den Pflichtverteidiger.
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Entscheidung vom 01.03.2006) |
Tenor
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 27.06.2005 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Durch Schriftsatz seines Verteidigers, Rechtsanwalt S. aus S., der dem Angeklagten durch Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 30.12.2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, hat der Angeklagte gegen das vorgenannte Urteil, das seinem Verteidiger am 11.07.2005 zugestellt worden ist, Rechtsmittel eingelegt. In dem ersten Berufungshauptverhandlungstermin am 16.11.2005 vor der VII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld erging die Anordnung des Vorsitzenden, dass die Hauptverhandlung vertagt und neuer Termin von Amts wegen bestimmt werde. Mit Schreiben vom 08.12.2005 fragte der Strafkammervorsitzende bei dem Verteidiger des Angeklagten im Hinblick auf die Erörterung im Termin vom 16.11.2005 an, ob die Berufung auf das Strafmaß beschränkt werden solle und bat um eine Mitteilung bis zum 20.12.2005. Mit Schriftsatz vom 29.12.2005, der am selben Tag beim Landgericht Bielefeld einging, teilte der Verteidiger des Angeklagten mit, dass die Berufung auf das Strafmaß beschränkt werden solle. Die Strafkammer hat die Berufungsbeschränkung als wirksam erachtet und unter Verwerfung der Berufung im Übrigen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 27.06.2005 dahingehend abgeändert, dass die verhängte Freiheitsstrafe auf vier Monate herabgesetzt wird.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die allgemeine Sachrüge erhoben worden ist.
II.
Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Sie war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
Anlass zur Erörterung besteht nur hinsichtlich der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf das Strafmaß. Auf die zulässige Revision hat das Revisionsgericht von Amts wegen, unabhängig von einer sachlichen Beschwer des Revisionsführers und ohne eine Bindung an die rechtliche Beurteilung durch den Tatrichter zu prüfen, ob das Berufungsgericht über alle Bestandteile des ersten Urteils entschieden hat, die von der Berufung erfasst wurden, insbesondere, ob die Berufungsbeschränkung, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, wirksam war (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl., § 352 Randnummern 3 u. 4 m.w.N.).
Bei der hier erfolgten Berufungsbeschränkung mit Schriftsatz des Pflichtverteidigers des Angeklagten vom 29.12.2005 handelte es sich nicht nur um eine Konkretisierung des Rechtsmittels, sondern um eine Teilrücknahme, für die der Verteidiger gemäß § 302 Abs. 2 StPO einer ausdrücklichen Ermächtigung bedurfte. Sie wäre nur dann nicht erforderlich gewesen, wenn die Beschränkung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nach § 317 StPO erfolgt wäre. In diesem Fall würde es sich bei der Rechtsmittelbeschränkung nämlich nicht um eine Teilrücknahme, sondern lediglich um eine nicht den Anforderungen des § 302 Abs. 2 StPO unterliegende Konkretisierung des Rechtsmittels handeln (vgl. BGHSt 38, 4; OLG Hamm, Beschluss des 1. Strafsenats vom 17.05.2005 - 1 Ss 62/05 -; OLG Koblenz NStZ-RR 2001, 247 m.w.N.).
Die einwöchige Frist zur Begründung der Berufung gemäß § 317 StPO endete hier, da dem Verteidiger des Angeklagten das amtsgerichtliche Urteil am 11.07.2005 zugestellt worden war, am 18.07.2005. Erst nach Ablauf dieser Frist ist die Rechtsmittelbeschränkung erklärt worden und daher als Teilrücknahme aufzufassen.
Die in Form der Teilrücknahme erfolgte Beschränkung der Berufung war hier wirksam, da die dafür erforderliche Ermächtigung des Verteidigers des Angeklagten gemäß § 302 Abs. 2 StPO vorgelegen hatte, wie der Senat im Freibeweisverfahren festgestellt hat. Der Pflichtverteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt S., hat mit Schreiben vom 29.08.2006 mitgeteilt, dass der Angeklagte mündlich der Beschränkung zugestimmt habe. Des weiteren hat er ausgeführt, bereits vor der Rechtsmittelbeschränkung vom 29.12.2005 habe er - der Verteidiger - den Angeklagten aufgesucht und dessen diesbezügliche Weisung entgegen genommen. Eine entsprechende Notiz habe er der Originalakte entnommen. Daraus ergebe sich auch, dass die Rechtsmittelbeschränkung noch am Verhandlungstage mit Hilfe der damals anwesenden Dolmetscherin K. mit dem Angeklagten erörtert worden sei und abermals dessen Zustimmung gefunden habe.
Der Senat hat keinen Anlass gesehen, diesen Angaben, die der Verteidiger des Angeklagten anwaltlich versichert hat, keinen Glauben zu schenken. Soweit Rechtsanwalt S. zunächst auf telefonische Anfrage mitgeteilt...