Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert des selbstständigen Beweisverfahrens
Normenkette
ZPO §§ 3, 485
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 3 OH 2/00) |
Tenor
Der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Bochum v. 15.6.2001 wird abgeändert.
Der Streitwert für das selbstständige Beweisverfahren wird auf 48.727,60 DM festgesetzt.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller ist gem. § 25 Abs. 3 S. 1 GKG zulässig. Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller sind gem. § 9 Abs. 2 S. 1 BRAGO beschwerdeberechtigt.
Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses, weil der Streitwert für das selbstständige Beweisverfahren auf 48.727,60 DM festzusetzen ist und das LG den Streitwert mit 20.000 DM zu niedrig bemessen hat.
Der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens richtet sich nach dem gem. §§ 12 Abs. 1 S. 1 GKG, 3 ZPO zu schätzenden objektiven Interesse der Antragsteller bei Einleitung des Verfahrens, wobei es vorrangig darauf ankommt, wegen welcher Ansprüche das Verfahren durchgeführt werden soll. Demzufolge ist der Gegenstandswert des selbstständigen Beweisverfahrens als vorgezogener Hauptsachebeweis regelmäßig mit dem vollen Wert der Hauptsache zu bemessen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2000, 613; OLGR 1997, 176; OLG Köln NJW-RR 2000, 802; ZfBR 2000, 123, jeweils m.w.N.; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rz. 16 unter „selbstständiges Beweisverfahren”).
Entgegen der Auffassung des LG ist die Angabe des Gegenstandswertes von 20.000 DM durch die Antragsteller in ihrer das Beweisverfahren einleitenden Antragsschrift v. 27.12.1999 nicht maßgeblich.
Bei der Bemessung des Streitwertes sind zwar die Wertangaben des Antragstellers in der Antragsschrift zu berücksichtigen. Der von ihm bei Verfahrenseinleitung geschätzte Wert (§ 23 GKG) ist jedoch in aller Regel mangels anderer objektiver Anhaltspunkte nicht bindend. Wenn das selbstständige Beweisverfahren, wie im vorliegenden Fall, der späteren Verfolgung von Ansprüchen auf Mängelbeseitigung oder auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in einem Hauptsacheverfahren dient, wird der Antragsteller regelmäßig keine auch nur annähernd genauen Angaben zum Schadensbeseitigungsaufwand und damit zu dem von ihm mit dem Beweisverfahren zu verfolgenden Interesse machen können. Der voraussichtliche Mängelbeseitigungsaufwand soll gerade erst durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen ermittelt werden. Für die objektive Bewertung der von dem Antragsteller mitgeteilten Tatsachen ist in solchen Fällen nach der vom Senat geteilten herrschenden Meinung in Rspr. und Literatur von den Feststellungen des Sachverständigen über die zu erwartenden Kosten der Mängelbeseitigung auszugehen und entsprechen diese daher in voller Höhe dem festzusetzenden Streitwert, ohne dass hiervon ein Abschlag vorzunehmen ist (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rz. 16 m.w.N.). Der Senat hat seine abweichende frühere Auffassung im Hinblick auf diese inzwischen gefestigte Rspr. und Literaturmeinung aufgegeben. Lediglich für den Fall, dass behauptete Mängel nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht vorliegen, ist das Interesse der Antragsteller weiterhin nach sonstigen objektiven Gesichtspunkten zu schätzen.
Für die Richtigkeit der genannten h.M. und die Maßgeblichkeit der Kostenermittlung des Gutachters für den Streitwert spricht insb. der Umstand, dass das Gericht ggf. ein Sachverständigengutachten einzuholen hat, wenn der Streitwert eines Verfahrens nicht aufgrund der Angaben des Antragstellers bestimmt werden kann (§ 26 GKG).
Eine Abschätzung durch einen Sachverständigen ist danach beispielsweise erforderlich, wenn der Antragsteller die nach § 23 GKG erforderliche Wertangabe trotz Aufforderung unterlassen hat oder erkennbar wird, dass er offensichtlich einen unrealistischen, zu hohen oder zu niedrigen Wert angegeben hat (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl. 2002, § 26 GKG Anm. 4). Dementsprechend bestehen keine Bedenken, auch für die Bemessung des Streitwertes im selbstständigen Beweisverfahren ein darin eingeholtes Sachverständigengutachten heranzuziehen.
Im vorliegenden Falle hat sich aufgrund der Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. J.M. v. 12.2.2001 und v. 30.4.2001 herausgestellt, dass der von den Antragstellern bei Verfahrenseinleitung angegebene Streitwert von 20.000 DM zu niedrig ist. Ihr objektives Interesse an der Feststellung, was die Ursache für die streitigen Deckenputz- und Außenputzschäden, die erhöhte Feuchtigkeit an den Wänden verschiedener Wohnungen, die Schäden der Balkonplattierungen sowie der Dachentwässerung des Hauses K.-straße 21 in B. ist und wie hoch die Mängelbeseitigungskosten sind, ist wesentlich höher zu bemessen. Der reale Wert des gem. § 3 ZPO zu schätzenden objektiven Interesses der Antragsteller entspricht vielmehr hier dem Betrag von 48.727,60 DM, den der Sachverständige nachvollziehbar zur Durchführung ...