Leitsatz (amtlich)
1. Ein an die StA adressierter Einspruch gegen einen Strafbefehl, der bei der gemeinsamen Posteingangsstelle von AG, LG und StA eingeht, geht zunächst der (unzuständigen) StA und nicht auch gleichzeitig dem (zuständigen) AG zu. Dem AG geht er erst zu, wenn er an dieses weitergeleitet wurde.
2. Entscheidet das AG trotz unzulässigen Einspruchs in der Sache, so hat das Berufungsgericht das amtsgerichtliche Urteil aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Normenkette
StGB § 223 Abs. 1, § 230; StPO § 311 Abs. 2, § 349 Abs. 2, § 464 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 14 Ns 17/08) |
Tenor
Die Revision wird verworfen.
Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Das Amtsgericht Bielefeld hatte am 16.07.2007 gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen "Körperverletzung - Vergehen nach §§ 223 Abs. 1, 230 StGB" erlassen und gegen ihn eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 35 Euro festgesetzt. Der Strafbefehl wurde dem Angeklagten am 20.07.2007 zugestellt. Am 03.08.2008 ging bei der gemeinsamen Posteingangsstelle der Bielefelder Justizbehörden ein an die Staatsanwaltschaft Bielefeld adressiertes Telefax ein, mit dem der Angeklagte Einspruch gegen den Strafbefehl einlegte. Dieser ging nach Umadressierung an das Amtsgericht ausweislich des Eingangsstempels mit der Kennziffer 20 dort am 07.08.2007 ein. Auf den Einspruch hin beraumte das Amtsgericht Hauptverhandlung an und verurteilte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 35 Euro.
Auf die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und den Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl als unzulässig verworfen. Gegen das Urteil der kleinen Strafkammer wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
In der Erwiderung auf die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft beanstandet der Angeklagte erstmals mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.01.2009 die Kostenentscheidung im Berufungsurteil.
II.
Die Revision ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Auch wenn es sich bei der angefochtenen Entscheidung um ein rein prozessuales Urteil handelt, ist die Revision nicht deswegen unzulässig, weil sie allein die Verletzung materiellen Rechts rügt, denn diese eröffnet immerhin noch die Überprüfung auf das Vorliegen von Verfahrenshindernissen. Solche standen hier einer Entscheidung des Landgerichts nicht entgegen. Insbesondere ist der nach § 230 StGB erforderliche Strafantrag der Verletzten form- und fristgerecht gestellt worden.
Dass der Einspruch gegen den Strafbefehl bereits verspätet und damit unzulässig war, steht der Entscheidung des Berufungsgerichts ebenfalls nicht entgegen, da dieses in solchen Fällen (auch auf die Revision des Angeklagten) das fälschlich ergangene amtsgerichtliche Sachurteil aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen hat (vgl.: Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 411 Rdnr. 12; BGHSt 13, 306; BGH NJW 1975, 44; OLG Düsseldorf Beschl. v. 26.11.1984 - 5 Ss 349/84-312/84 I - juris; BayObLG Beschl. v. 30.08.1988 - RReg 2 St 183/88 - juris). Der Einspruch war unzulässig, da er zwar rechtzeitig bei der gemeinsamen Posteingangsstelle der Bielefelder Justizbehörden eingangen ist, aber falsch adressiert war (an die Staatsanwaltschaft, nicht an das Amtsgericht). Bei einer gemeinsamen Posteingangsstelle geht ein Schreiben zunächst einmal der Behörde zu, an welche es adressiert ist. Ist es falsch adressiert, geht es bei Eingang in der Posteingangsstelle nicht gleichzeitig der ebenfalls an diese angeschlossenen, zuständigen Behörde zu, sondern erst dann, wenn es an diese weitergeleitet wurde. Von diesem in anderen Gerichtszweigen anerkanntem Grundsatz (vgl.: BAG NJW 2002, 845; BayOB LG Beschl. v. 24.08.2001 - 3Z BR 231/01- juris; OLG Saarbrücken Beschl. v. 12.04.2007 - 4 U 631/06 = BeckRS 2007, 08768) im Strafprozessrecht abzuweichen, sieht der Senat keinen Anlass.
III.
Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beanstandung der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils ist unzulässig.
Nach § 464 Abs. 3 StPO ist die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung über Kosten und Auslagen statthaft. Das Rechtsmittel ist aber nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegt worden, sondern erst am 08.01.2009 (Eingang beim Oberlandesgericht 09.11.2009). Innerhalb der Wochenfrist hat der Angeklagte ausschließlich das Rechtsmittel der Revision eingelegt.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2576401 |
NStZ 2009, 472 |
NStZ-RR 2010, 21 |