Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenschwester. Zeugnisverweigerungsrecht. Bekanntwerden. Bitte um Information der Polizei. Verweigerung von Angaben. Ordnungsgeld. Kenntnis bei Gelegenheit. Umfang des
Leitsatz (amtlich)
Zum Umfang des Zeugnisverweigerungsrechtes eines Krankenschwester.
Normenkette
StPO §§ 52-53, 70 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Essen (Entscheidung vom 29.12.2008) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unbegründet verworfen.
Gründe
I. In dem vor dem Landgericht Essen anhängigen Strafverfahren wird gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung zu Lasten seines Bruders sowie wegen anderer Delikte verhandelt. Dem Angeklagten wird u.a. vorgeworfen, am 14. Juni 2007 gegen 22 Uhr in seiner Wohnung nach einem Streit auf seinen Bruder A. A. mittels eines Küchenmessers mehrfach eingestochen zu haben, wodurch dieser lebensgefährlich verletzt wurde. Der Geschädigte wurde unmittelbar nach dem Vorfall mit einem Krankenwagen in ein Krankenhaus verbracht, in dem die Zeugin Sc. als Krankenschwester am nächsten Morgen ihren Frühdienst versah. Der Geschädigte bat die Zeugin, die Polizei zu informieren, da er von seinem Bruder, dem Angeklagten bedroht würde und legte dieses auch näher dar. Die Zeugin kam seiner Bitte nach, worauf Kriminalbeamte den Geschädigten noch im Krankenhaus aufsuchten und vernahmen.
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Essen beruft sich der Geschädigte nunmehr auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO gegenüber dem Angeklagten und macht keine Angaben zur Sache.
Die Zeugin Sc. sollte im Hinblick auf ihr Gespräch mit dem Geschädigten am 15. Juni 2007 als Zeugin vernommen werden. Bei ihrer Vernehmung am 29. Dezember 2008 beantwortete sie die Frage des Vorsitzenden, ob "sie im Juni letzten Jahres von einem A. A. gebeten worden sei, die Polizei zu rufen, weil diese Person angegeben habe, von seinem Bruder bedroht worden zu sein, unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Krankenschwester (§§ 53 Abs. 1 Nr. 3, 53 a Abs.1 StPO nicht.
Daraufhin hat das Landgericht gegen sie ein Ordnungsgeld von 300,- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 50 EUR einen Tag Ordnungshaft festgesetzt.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihr Beschwerde.
II. Die Beschwerde der Zeugin hat im Ergebnis keinen Erfolg.
Das Landgericht hat gegen sie rechtsfehlerfrei ein Ordnungsgeld angeordnet, um ihr Zeugnis zu erzwingen (§ 70 Abs. 1 StPO).
Ein generelles Recht zur Verweigerung des Zeugnisses gemäß §§ 53, 53 a StPO steht der Zeugin bei der gegebenen Sachlage nicht zu.
Gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO ist ein Arzt zur Verweigerung des Zeugnisses über das berechtigt, was ihm in seiner Eigenschaft als Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist. Die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient erstreckt sich auf alles, was dem Arzt bei der Untersuchung oder Heilbehandlung anvertraut oder bekannt geworden ist, wozu die Identität des Patienten und die Tatsache seiner Behandlung (BGH NStZ 1985, 372) als auch die Tatsachen gehören, die der Arzt im Rahmen der Anbahnung des Beratungs- und Behandlungsverhältnisses vom Patienten erhält (BGH a.a.O.).
Einem Arzt stehen gemäß § 53 a Abs. 1 StPO seine Gehilfen und die Personen gleich, die zur Vorbereitung auf den Beruf an der berufsmäßigen Tätigkeit teilnehmen, da ansonsten der erstrebte Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt durch die Vernehmung der Hilfspersonen des Arztes umgangen werden könnte. Dabei muss ein innerer (funktionaler) Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Arztes und seines Gehilfen bestehen, der daraus resultiert, dass der Arzt die Tätigkeit des Gehilfen ohne die organisationsbedingte Arbeitsteilung miterledigen müsste, um die Behandlung des Patienten durchführen zu können. Die von dem Gehilfen bei seiner Tätigkeit erlangte Kenntnis beruht auf der ärztlichen Behandlung (OLG Oldenburg NJW 1982, 2615). Insoweit ist anerkannt, dass auch Krankenschwestern als Gehilfen des Arztes das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO in Anspruch nehmen können (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 53 a, Rn. 5).
Wie sich allerdings aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, erstreckt sich das Recht zur Zeugnisverweigerung nicht auf Tatsachen, von denen der Arzt bzw. dessen Gehilfe zwar bei Gelegenheit der Ausübung der Berufsausübung erfahren hat, nicht aber in seiner Eigenschaft als Arzt/Gehilfe.
Deshalb ist ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht anzuerkennen, soweit es sich um Informationen handelt, die weder im funktionalen (inneren) Zusammenhang mit der ärztlichen/pflegerischen Tätigkeit stehen, d.h. die berufliche Tätigkeit des Arztes/Pflegepersonals nicht erst ermöglichen oder qualitativ besser durchführbar machen.
Demgemäß ist vorliegend zu differenzieren:
a) Soweit die Beschwerdeführerin sich zu Tatsachen äußern soll, die im Zusammenhang mit der Erkrankung bzw. den Verletzungen des Bruders des Angeklagten und der genauen Diagnose stehen oder außerhalb der Beauftragung bekann...