Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebensversicherung, § 5a VVG a.F.: Widerspruch treuwidrig; Kooperation zwischen Lebensversicherer und Abtretungsempfänger (= Darlehensgeber)
Leitsatz (amtlich)
Wenn der Versicherungsnehmer in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung die Ansprüche zur Sicherheit abgetreten hat, kann ein späterer Widerspruch treuwidrig sein. An diesen Grundsätzen ändert sich nichts dadurch, dass Versicherer und Sicherungsnehmer (Darlehensgeber) zusammenarbeiteten (unter 2 b)
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 9 O 199/17) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufungsangriffe der Klägerin in der Berufungsbegründung vom 08.01.2019 (GA 647 ff.) greifen nicht durch.
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 126.433,97 EUR nicht zu. Er ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
Die Klägerin erbrachte die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund, da der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag nicht aufgrund des von der Klägerin erklärten Widerspruchs unwirksam geworden ist. Der Ausübung des Widerspruchsrechts gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F. steht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, der Einwand widersprüchlichen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegen.
1. Im Einzelfall kann die Ausübung des Widerspruchsrechts und die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16).
Allgemein gültige Maßstäbe dazu, wann die Grundsätze von Treu und Glauben der Ausübung eines Widerspruchs entgegenstehen, können nicht aufgestellt werden. Ihre Anwendung im Einzelfall obliegt dem Tatrichter (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2015 - IV ZR 117/15, juris Rn. 16; BGH, Urteil vom 11.05.2016 - IV ZR 334/15, r+s 2016, 339, juris Rn. 16).
Voraussetzung ist das Vorliegen besonders gravierender Umstände, die dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16; BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 161/15, juris Rn. 12). Nicht erforderlich sind unredliche Absichten oder ein Verschulden des Versicherungsnehmers. Durch das Verhalten des Versicherungsnehmers muss nur ein ihm erkennbares, schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf eine bestimmte Sach- oder Rechtslage hervorgerufen worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065, juris Rn. 37).
2. Gemessen daran wertet auch der Senat, ebenso wie das Landgericht, die Erklärung des Widerrufs und Rücktritts durch die Klägerin als gemäß § 242 BGB unzulässiges widersprüchliches Verhalten.
a) Dies ergibt sich aus der Nutzung der Ansprüche aus beiden von der Klägerin abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen als Kreditsicherungsmittel.
aa) Unstreitig trat die Klägerin die Ansprüche aus beiden der Klage zugrunde liegenden Lebensversicherungsverträgen als Sicherheit für einen ihr durch die A-bank gewährten Kredit an diese ab. Die Abtretung setzte, um ihren Sicherungszweck erfüllen zu können und damit die Gewährung des Darlehens nicht zu gefährden, zwingend die Wirksamkeit des streitgegenständlichen Vertrages voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, juris Rn. 16).
bb) Zwar kann, worauf die Berufung zu Recht hinweist, nicht automatisch vom Vorliegen gravierender Umstände ausgegangen werden, wenn die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Kreditsicherungsmittel eingesetzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 482/14, VersR 2017, 275). Derartige gravierende Umstände liegen aber vor - und zwar unabhängig von der Frage, ob die Belehrung ordnungsgemäß erfolgte oder nicht -, wenn eine derartige Abtretung die Todesfallleistung einschließt und im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages erfolgt sowie der Versicherer hiervon Kenntnis erhält (vgl. BGH, Beschluss vom 27.01.2016 - IV ZR 130/15, r+s 2016, 230, Rn. 16; vgl. ferner Senat, Urteil vom 13.01.2017 - 20 U 159/16, VersR 2017, 806). Dabei ist es für die Annahme eines widersprüchlichen Verhaltens nicht erforderlich, dass die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen mehrfach zur Kreditsicherung eingesetzt werden; vielmehr kann eine einmalige Abtretung als treuwidrig anzusehen sein, wenn sie in engem zeitlichen Zusam...