Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde. Strafaussetzung. Bewährung. lebenslange Freiheitsstrafe. Vollzugslockerungen. Sachverständigengutachten

 

Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die Einholung eines externen Sachverständigengutachtens gemäß § 454 Abs. 2 StPO kann entbehrlich sein, wenn die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer (lebenslangen) Freiheitsstrafe ablehnen will und ein relativ aktuelles Gutachten vorliegt.

  • 2.

    Auch der mündlichen Anhörung des Sachverständigen bedarf es in Ausnahmefällen nicht.

  • 3.

    Die Strafvollstreckungskammer muss sich auch mit der - rechtswidrigen oder rechtmäßigen - Versagung von Vollzugslockerungen auseinandersetzen.

 

Normenkette

StPO § 454

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 5. Februar 2009 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 21. Januar 2009 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 04. 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten ( § 473 Abs. 1 StPO) verworfen.

 

Gründe

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung der Reste der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 5. Juni 1986 und der Freiheitsstrafe von drei Jahren aus dem Urteil des Landgerichts Hagen vom 18. September 1991 abgelehnt.

Die hiergegen gerichtete statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache vermag sie jedoch keinen Erfolg zu haben.

Zu Recht hat die Strafvollstreckungskammer eine Aussetzung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe abgelehnt.

Nach § 57 a StGB i.V.m. § 57 Abs. 1 Ziffer 2 StGB wird die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur dann zur Bewährung ausgesetzt, wenn dies unter Berücksichtigung des

Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann. Bei der Entscheidung sind die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, sein Verhalten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Nach sorgfältiger Abwägung dieser Gesichtspunkte kommt - wie bereits die Strafvollstreckungskammer eingehend dargelegt hat - eine bedingte Strafaussetzung zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Die Strafvollstreckungskammer hat auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon abgesehen, vor ihrer Entscheidung ein neues anlassbezogenes psychiatri-

sches Sachveerständigengutachten zur Frage der fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten einzuholen. Zwar muss gemäß § 454 Abs. 2 StPO ein Sachverständiger gehört werden, wenn das Gericht erwägt, die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57 a StGB zur Bewährung auszusetzen. Eine Begutachtung ist aber nicht erforderlich, wenn ein eindeutiges Sachverständigengutachten jüngeren Datums vorliegt und das Gericht die Aussetzung ablehnen will (Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 454 Rdnr. 37 m.w.N.).

So liegt der Fall hier.

Zur Frage der Gefährlichkeitsprognose ist unter dem Datum vom 08. Juni 2007 ein ausführliches Sachverständigengutachten erstellt worden. Aus der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Werl vom 21. August 2008 ergibt sich, dass keine vollzugliche Entwicklung eingetreten ist, die eine von dem Ergebnis dieses Gutachtens abweichende Gefährlichkeitsprognose rechtfertigen könnte. Die Strafvollstreckungskammer hat sich in ihrem Beschluss in noch hinreichender Weise zur Aktualität des erstatteten Gutachtens geäußert und dargelegt, dass die für dieses Gutachten maßgebliche Tatsachengrundlage weiterhin Geltung hat. Bei dieser Sachlage war die erneute Einholung eines ausführlichen Prognosegutachtens nicht geboten.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Strafvollstreckungskammer im hier zu beurteilenden Fall es entgegen § 454 Abs. 2 S. 3 StPO unterlassen hat, die Sachverständige Muysers mündlich anzuhören, obwohl sie deren Gutachten bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigt hat. Hat die Strafvollstreckungskammer gutachterliche Erkenntnisse verwendet, ist sie grundsätzlich auch verpflichtet, gemäß § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO die Sachverständige mündlich anzuhören (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. September 2001 - 1 Ws (L) 9/2001 -; 02. März 2004 - 1 Ws (L) 4/04) -; 31. Juli 2007 - 1 Ws 438/07 -). Die durch das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 eingefügte Vorschrift des § 454 Abs. 2 Satz 3 StPO ist zwingendes Recht und daher grundsätzlich unabdingbar. Die Vorschrift dient auch dem Anspruch des Verurteilten auf Gewährung des rechtlichen Gehörs. Ihm ist nämlich - neben anderen Prozeßbeteiligten - im Anhörungstermin Gelegenheit z...

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