Leitsatz (amtlich)
1. Ein schutzwürdiges Interesse der Presse daran, für eine verdeckte Recherche zu einem für die Allge-meinheit bedeutenden Thema Kenntnis von Verbindungen verschiedener Handelsunternehmen zu erlangen, vermag ein nach § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG erforderliches "berechtigtes Interesse" für die Einsichtnahme - über das freie Einsichtsrecht nach § 9 Abs. 1 HGB hinaus - auch in den Hauptband der Handelsregisterakten zu begründen.
2. Die Abwägung, ob der Einsichtnahme schützwürdige Interessen des eingetragenen Handelsunternehmens als Beteiligtem i.S.v. § 13 Abs. 2 S. 1 FamFG entgegenstehen, kann ohne dessen Anhörung nach § 34 Abs. 1 FamFG vorgenommen werden. Dabei kann die Gefahr, den Rechercheerfolg durch eine frühzeitige Anhörung zu vereiteln, diese sogar verbieten.
3. Die vom BGH für das Einsichtsrecht der Presse in Grundakten zum Grundbuch mit der Entscheidung v. 17.8.2011 - V ZB 47/11 (NJW-RR 2011, 1651) aufgestellten Grundsätze sind insoweit auf das Einsichtsrecht in Handelsregisterakten trotz deren andersartiger Struktur übertragbar.
Normenkette
HGB § 9; FamFG § 13 Abs. 2 S. 1, § 34 Abs. 1; GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 24.02.2012; Aktenzeichen 89a HRA 8898) |
Tenor
Auf die Beschwerde Antragstellers wird der Beschluss des AG Essen vom 24.2.2012 - nicht abgeholfen durch Beschl. v. 20.3.2012 - aufgehoben.
Das AG wird angewiesen, dem Antragsteller die Einsichtnahme in die Handelsregisterakten zur oben bezeichneten Firma einschließlich der Hauptakten auf der dortigen Geschäftsstelle zu gestatten, nachdem er sich als Angehöriger eines Presseorgans ausgewiesen hat. Die betroffene Firma bzw. ihr Inhaber ist hierüber nicht gesondert zu informieren.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Journalist. Er begehrt für eine - verdeckte - Recherche zur Zweckentfremdung öffentlicher Fördergelder für ein Weltkulturerbeprojekt, die er ohne Darlegung konkreter Anhaltspunkte als Möglichkeit vermutet, Einsichtnahme in die vollständigen Handelsregisterakten, also auch in den neben dem Sonderband geführten Hauptband (unter anderen) der vorliegend betroffenen Firma eines Einzelkaufmanns. Er beruft sich dafür auf das Grundrecht der Pressefreiheit als Recherchefreiheit in der Ausprägung, die sie durch das BVerfG (Beschl. v. 28.8.2000 - 1 BvR 1307/91, veröffentlicht u.a. in NJW 2001, 503) und den BGH (Beschl. v. 17.8.2011 - V ZB 47/11 in NJW-RR 2011 1651) nach seiner Auffassung erfahren habe.
Der Rechtspfleger des AG hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag bezüglich der Register Hauptakten mit grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt und den Antragsteller auf sein Einsichtsrecht in die gem. § 9 HGB öffentlich zugänglichen Teile der Registerakte verwiesen. Der Gestattung weiter gehender Einsicht gem. § 13 II FamFG stünden trotz eines grundsätzlich zu bejahenden berechtigten Interesses der Presse schutzwürdige Interessen der Beteiligten entgegen, da sich in den im Hauptband abgelegten Dokumenten Interna befinden könnten, die Außenstehenden nicht zur Kenntnis zu bringen sind. Der Sachverhalt sei dem der genannten Entscheidung des BVerfG nicht vergleichbar, weil anders als die insgesamt nicht frei zugänglichen Grundakten schon wesentliche Teile der Handelsregisterakten gem. § 9 HGB unbeschränkt öffentlich einsehbar seien. Keinesfalls dürfe die Einsicht ohne eine gem. § 34 I Nr. 1 FamFG gebotene persönliche Anhörung der betroffenen Rechtsträger und etwaiger Dritter gestattet werden, der der Antragsteller jedoch ausdrücklich widersprochen habe, um nicht den Erfolg seiner Recherchen durch zu besorgende Verdunkelungsmaßnahmen der durch die Anhörung Gewarnten zu gefährden.
Mit der Beschwerde, der das AG nicht abgeholfen hat, verfolgt der Antragsteller sein Begehren unter Vertiefung seines Rechtsstandpunktes weiter.
II. Die gem. §§ 58 ff. FamFG statthafte und fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
a) Die Beschwerde ist statthaft. Während es sich bei der Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch eines Verfahrensbeteiligten grundsätzlich nur um eine Zwischenentscheidung handelt, gegen die ein unmittelbares Rechtsmittel regelmäßig nicht gegeben ist, ist die Ablehnung eines Akteneinsichtsgesuch eines - wie hier - nicht an dem Verfahren beteiligten Dritten selbst durch Rechtsmittel angreifbar. Welches Rechtsmittel hiergegen statthaft ist, ist allerdings umstritten, wobei das Ergebnis jeweils daran geknüpft ist, ob die Entscheidung als Justizverwaltungsakt i. S. § 23 EGGVG oder als abschließender Akt der Rechtsprechung angesehen wird; vgl. die Übersicht im Beschluss des OLG Celle vom 8.12.2011 in MDR 2012, 184.
Der Senat schließt sich der Auffassung des OLG Celle (a.a.O.) und des KG in FGPrax 2011, 157 auch für die vorliegend in Rede stehende Einsichtnahme eines Dritten in Handelsregisterakten an. Die anders lautende Entscheidung des OLG Hamm vom 26.7.2011 - 2 WF 131 11, in MDR 2012, 52 betrifft einen nach Abschluss eines ko...