Entscheidungsstichwort (Thema)
Abändernder Zweitbeschluss zur Balkonsanierung
Leitsatz (amtlich)
1. Ist in der Vergangenheit (zeitlich vor dem Beschluss des BGH vom 20.9.2000) ein mehrheitlicher Eigentümerbeschluss gefasst worden, demzufolge jeder Wohnungseigentümer die Kosten für die Sanierung seines Balkons bis zur Betonplatte selbst zu tragen hat, ist die Gemeinschaft auch dann nicht gehindert, im Wege eines abändernden Zweitbeschlusses die Instandhaltungslast insoweit wieder in eigene Regie zurück zu übernehmen, wenn ein einzelner Miteigentümer Kosten für die Sanierung des zu seiner Wohnung gehörenden Balkons zwischenzeitlich bereits aufgewendet hat.
2. Ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht eine solche Beschlussfassung aber nur dann, wenn sie sich nicht darauf beschränkt, die geänderte Regelung für die Zukunft in Kraft zu setzen, sondern auch eine Übergangsregelung für die bereits durchgeführte Balkonsanierung trifft, die dem Grundsatz der notwenigen Gleichbehandlung der Miteigentümer sowie der Gewährung von Vertrauensschutz gegenüber früher getroffenen gemeinschaftlichen Regelungen Rechnung trägt.
3. Eine danach erforderliche Regelung über die Erstattung der von einem einzelnen Wohnungseigentümer bereits aufgewendeten Kosten kann durch gerichtliche Entscheidung nach § 43 Abs. 2 WEG ersetzt werden.
Normenkette
WEG § 21 Abs. 4, § 43 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Bochum (Beschluss vom 19.04.2006; Aktenzeichen 7 T 10/06) |
AG Bochum (Aktenzeichen 71 II 91/05) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Der Beschluss des AG Bochum vom 23.8.2005 wird wie folgt abgeändert:
Der Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 28.4.2005 zu TOP 6 wird für ungültig erklärt.
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1) wird folgende Regelung für das Gemeinschaftsverhältnis getroffen:
Haben Wohnungseigentümer aufgrund des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 26.8.1997 zu TOP 1) und 2) in der Zeit bis zum 11.2.2004 an dem zu ihrer Wohnung gehörenden Balkon notwendige Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vornehmen lassen, die Gemeinschaftseigentum betreffen, und für diese die Kosten übernommen, steht Ihnen ein Anspruch auf Erstattung der Kosten gegen die Eigentümergemeinschaft zu, soweit diese Kosten nach § 16 Abs. 2 WEG i.V.m. Teil II § 8 Abs. 1 der Teilungserklärung vom 12.9.1989 von allen Wohnungseigentümer gemeinschaftlich zu tragen sind. Die Feststellung der konkreten Höhe eines Erstattungsanspruchs einschließlich der Prüfung etwaiger Einwendungen bleibt der gerichtlichen Entscheidung vorbehalten.
Im Übrigen wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens dritter Instanz zu entscheiden hat.
Der Gegenstandswert für das Verfahren dritter Instanz wird auf 4.730,66 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) bis 8) sind die Miteigentümer der oben bezeichneten Wohnungseigentumsanlage, deren derzeitiger Verwalter der Beteiligte zu 2), Herr C, ist.
Nach Teil I § 3 Abs. 2 der Teilungserklärung vom 12.9.1989 (UR-Nr. .../1989 des Notars Dr. X in H) gehören zum Sondereigentum auch
"bei Balkonen die Innenseite der Brüstung, der Fußboden und Oberflächenanstrich an der Unterseite der Balkonplatte des höher liegenden Geschosses, [...]"
Nach Teil II § 8 Abs. 1 der Teilungserklärung ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet,
"nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Beiträge zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten zu leisten. Diese Kosten ("Hausgeld" genannt) bestehen aus: [...]
c) den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung, soweit sie gem. § 4 den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich obliegen, einschließlich des Betrages für die Bildung einer angemessenen Instandhaltungsrücklage, [...], zahlbar nach dem Verhältnis der Raumfläche."
Zu den meisten Wohnungen der Wohnungseigentumsanlage gehört ein Balkon. An verschiedenen dieser Balkone traten im Laufe der Zeit Feuchtigkeitsschäden auf, die Sanierungsmaßnahmen erforderlich machten. 1994 wurde der Balkon der Wohnung der Beteiligten zu 2) auf Kosten der Gemeinschaft saniert.
Die Frage der Kostentragung für Sanierungsmaßnahmen am Balkon der Beteiligte zu 1) war unter Tagesordnungspunkt 1) und 2) Gegenstand der Eigentümerversammlung am 26.8.1997. Hierzu heißt es im Protokoll:
"Die Versammlungsleiterin unterbreitete den Eigentümern verschiedene Möglichkeiten, und zwar:
1. Die Eigentümergemeinschaft trägt, wie nach dem Wohnungseigentumsgesetz und der Teilungserklärung vorgesehen, die Kosten für die Sanierung des Balkonaufbaus.
2. Die Eigentümergemeinschaft weigert sich, diese Kosten zu übernehmen. Dann würden sicherlich die Eheleute I2 [die Beteiligten zu 1)] diese Forderung bei Gericht durchsetzen wollen.
3. Die Eigentümergemeinschaft kann per Beschluss die Kostenregelung ähnlich wie bei den Fenstern beschließen, das heißt, jeder Eigentümer zahlt die Kosten für seine Balkonsanierung bis zur Betonplatte selbst."
Die Eigentümerversammlung fasste sodann mit Stimmenmehrheit zu P...