Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensschätzung bei Unterhaltsklage des volljährigen Kindes. Volljährigenunterhalt. hier: Einkommensschätzung bei Unterhaltsklage des volljährigen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Das volljährige Kind, das die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nicht kennt, ist nicht auf eine Auskunftsklage zu verweisen. Das Kind kann vielmehr sofort Leistungsklage erheben und genügt seiner Darlegungs- und Beweislast schon dann, wenn es das Einkommen des Unterhaltspflichtigen schätzt. Der Unterhaltspflichtige kann die geschätzte Höhe nur dann substantiiert bestreiten, wenn er sein Einkommen im Einzelnen darlegt.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1602 Abs. 1, § 1603 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hamm (Beschluss vom 03.09.2004; Aktenzeichen 32 F 112/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22.9.2004 wird der Beschluss des AG - FamG - Hamm vom 3.9.2004 abgeändert.
Der Antragstellerin wird ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... aus Hamm ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Bei der am 5.6.1982 geborenen Antragstellerin handelt es sich um die Tochter des Antragsgegners aus erster Ehe. Sie nimmt den Antragsgegner auf Kindesunterhalt ab Februar 2004 i.H.v. monatlich 208,40 EUR in Anspruch. Die Antragstellerin bekommt eine Ausbildungsvergütung i.H.v. monatlich netto 315,60 EUR zzgl. einer Berufsausbildungsbeihilfe i.H.v. 149 EUR, insgesamt monatlich 464,60 EUR. Hiervon zieht sie monatlich berufsbedingte Aufwendungen i.H.v. 73 EUR ab. Den Differenzbetrag zwischen dem verbleibenden Einkommen von 391,60 EUR und dem Regelbedarf von 600,00 EUR beabsichtigt sie mit der Klage geltend zu machen.
Die Mutter der Antragstellerin ist in dem Jahr 1983 verstorben. Der Antragsgegner hat weitere Kinder im Alter von 11 und 17 Jahren. Er ist als Feuerwehrbeamter im öffentlichen Dienst bei der Stadt S. tätig. Die Antragstellerin hat behauptet, er beziehe ein Einkommen des gehobenen Dienstes (A9 aufwärts) und übe zudem eine Nebentätigkeit als Fahrschullehrer aus, wofür er monatlich 400 EUR erhalte. Der Antragsgegner hat dagegen behauptet, ein Gehalt nach der Besoldungsgruppe A8 zu beziehen. Seit dem 11.2.2004 übe er seine Nebentätigkeit als Fahrschullehrer nicht mehr aus.
Das AG hat den Prozesskostenhilfe der Antragstellerin zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass ihr Vorbringen zur Leistungsfähigkeit des Antragsgegners nicht schlüssig sei. Sie hätte den Antrag zunächst auf Auskunftserteilung in Anspruch nehmen können.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolung der Antragstellerin gem. § 114 ZPO hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Antragstellerin hat einen Unterhaltsanspruch nach Auffassung des Senats gem. §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1603 Abs. 1 BGB hinreichend substantiiert dargelegt.
Dabei ist das AG zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin als volljährige Unterhaltsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten trägt. Dieser Darlegungslast ist sie allerdings nachgekommen.
Der Antragstellerin als volljährigem Kind bleiben zwei Möglichkeiten der Prozessführung. Entweder kann sie den Antragsgegner mit einer Stufenklage auf Auskunft über sein Einkommen und auf Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Unterhalts verklagen, oder sie kann sein Einkommen schätzen und dessen Höhe mit Nichtwissen behaupten. Dem Antragsgegner ist dann die Möglichkeit verwehrt, diese Behauptung schlicht zu bestreiten, denn die Antragstellerin kennt das Einkommen des Antragsgegners nicht. Wenn der Antragsgegner dann die Einkommenshöhe nicht oder nicht genügend substantiiert bestreitet, läuft er Gefahr, im Prozess zu unterliegen. Nur wenn er sein Einkommen im Einzelnen darlegt, enthält sein Bestreiten hinreichende Substanz. Dann erst trifft die Antragstellerin die Last, dieses Vorbringen zu widerlegen (BGH v. 15.10.1986 - IVb ZR 78/85, MDR 1987, 302 = FamRZ 1987, 259; OLG Hamburg v. 11.1.1991 - 12 WF 137/90, FamRZ 1991, 1092).
Der so verstandenen Darlegungslast ist die Antragstellerin nachgekommen. Sie behauptet, dass der Antragsgegner ein Einkommen der Gehaltsgruppe A9 aufwärts habe und zusätzlich 400 EUR monatlich verdiene.
Fundstellen
Haufe-Index 1385451 |
ZfJ 2005, 452 |
ZFE 2005, 211 |
www.judicialis.de 2005 |