Leitsatz (amtlich)
Zur Vermeidbarkeit des (Verbots)Irrtums über die Einordnung des so genannten "Sprinters.
Verfahrensgang
AG Siegen (Entscheidung vom 25.01.2005) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Betroffene der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen (Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 StVG, § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO) in drei Fällen schuldig ist.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Siegen hat den Betroffenen mit Urteil vom 25. Januar 2005 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen (§ 24 StVG, § 18 Abs. 5 S. 2 Nr. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 18 StVO) zu einer Geldbuße in Höhe von 487,50 EUR verurteilt. Nach den zugrunde liegenden Feststellungen befuhr der Betroffene am 29. Oktober 2003 mit einem Kraftfahrzeug der Marke Daimler-Chrysler, Fahrzeugtyp "Sprinter", die BAB A 45 in Höhe der Gemeinde Wilnsdorf in Fahrtrichtung Frankfurt, wobei er nach Auswertung des im Rahmen einer allgemeinen Kontrolle sichergestellten Schaublattes unter Berücksichtigung eines Toleranzabzugs von 6 km/h folgende vorwerfbare Geschwindigkeiten erzielte:
um 06.16 Uhr 125 km/h,um 08.14 Uhr 132 km/h undum 10.38 Uhr 135 km/h.
Zur Fahrzeugeigenschaft hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Bei dem von dem Betroffenen gefahrenen Fahrzeug handelt es sich laut Fahrzeugschein um einen "Pkw geschlossen", mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 4,6 t. Das Fahrzeug ist mit einer separaten Ladefläche ausgestattet, die durch eine dauerhaft installierte Wand von der mit einer Sitzbank versehenen Fahrgastzelle abgetrennt ist. Der Laderaum ist durch eine fest eingebaute Trennwand mit Fenster von der Fahrgastzelle getrennt. Die Wand ist mit Nieten an der Fahrzeugkarosserie befestigt. Im Laderaum des Fahrzeugs befinden sich keine Seitenfenster. In der Fahrgastzelle sind neben dem Fahrersitz zwei Sitzmöglichkeiten vorhanden. Des weiteren ist der Laderaum seitlich mit Holz beplankt. Der Fahrzeugboden ist mit Holzplatten ausgelegt. Das Fahrzeug verfügt an der Hinterachse über Zwillingsreifen."
Das Amtsgericht hat das von dem Betroffenen geführte Fahrzeug straßenverkehrsordnungsrechtlich unter Rückgriff auf die in § 4 Abs. 4 Nr. 1 und 3 Personenbeförderungsgesetz - PBefG - und § 23 Abs. 6 a StVZO (a.F.) verwendeten Begriffsbestimmungen als Lastkraftwagen eingestuft, da es nach konkreter Bauart und Einrichtung zur Beförderung fremden Transportgutes bestimmt und geeignet sei. Dies ergebe sich aus den in der Akte befindlichen Lichtbildern, auf denen klar erkennbar sei, dass das Fahrzeug nicht zur Personenbeförderung genutzt werde. Aufgrund der Einrichtung des Laderaumes sei vielmehr davon auszugehen, dass das Fahrzeug zur Güterbeförderung eingesetzt werde. An der straßenverkehrsordnungsrechtlichen Einstufung des Fahrzeugs als Lastkraftwagen änderten auch die Eintragung im Kraftfahrzeugschein als "PKW geschlossen" und die Tatsache, dass für die betreffenden Fahrzeuge des Typs "Sprinter" eine EG-Typgenehmigung der Klasse M 1 erteilt worden sei, nichts. Für die Bestimmung der Art des Kraftfahrzeugs komme nämlich der Eintragung in den Kraftfahrzeugpapieren keine maßgebliche Bedeutung zu.
Die Einlassung des Betroffenen hat das Amtsgericht wie folgt wiedergegeben:
"Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, daß er aufgrund der Eintragung im Kfz-Schein als Pkw davon ausgegangen sei und darauf vertraut habe, daß das betreffende Kraftfahrzeug als Pkw und nicht als Lkw einzuordnen sei und daher keine Geschwindigkeitsbegrenzung gemäß § 18 Abs. 5 StVO bestehe. Zudem habe ihm sein Chef, mit dem er über die Einordnung des Fahrzeugs gesprochen habe, versichert, daß für das betreffende Fahrzeug keine Geschwindigkeitsbegrenzung bestehe."
Im Hinblick auf diese Einlassung des Betroffenen ist das Amtsgericht zu der Auffassung gelangt, dass der Betroffene in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG gehandelt habe. Hierzu heißt es in den Gründen des angefochtenen Urteils:
"Die für die Einordnung als Lkw sprechenden tatsächlichen Umstände, insbesondere die Größe sowie der tatsächliche Ausbau des Fahrzeugs, waren auch insgesamt augenscheinlich und dem Betroffenen deutlich erkennbar. Schon nach einem laienhaften Verständnis des Wortes in seiner umgangssprachlichen Bedeutung konnte der Betroffene nicht ernsthaft annehmen, das von ihm geführte Fahrzeug weise die typischen Eigenschaften eines Personenkraftwagens auf. Dass der Betroffene entgegen diesen augenscheinlichen und offensichtlichen Umständen zu der inneren Wertung gelangt ist, einen Pkw zu fahren, stellt in der rechtlichen Wertung einen vermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 11 Ab...