Leitsatz (amtlich)
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt der Führungsaufsicht ist auch im Fall der Anschlussvollstreckung die tatsächliche Entlassung des Verurteilten in die Freiheit.
2. § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB ist auch auf gleichzeitig eintretende (befristete) Führungsaufsichten anzuwenden.
3. Als "neue" Führungsaufsicht bleibt dann die wegen der letzten vollständigen Vollstreckung eintretende Führungsaufsicht bestehen.
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 StVK 108/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
Gründe
Zusatz:
Der Senat weist ergänzend auf den vorangegangenen Senatsbeschluss vom 09.09.2010 (III-3 Ws 383/10) in dem weiteren Verfahren 4 StVK 107/10 LG Detmold (dortiger Endstrafentermin: 11.04.2010) hin, mit dem ebenfalls eine sofortige Beschwerde des seit 08.11.2007 ununterbrochen Strafhaft verbüßenden Verurteilten gegen die mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold vom 05.08.2010 angeordnete befristete Führungsaufsicht nach § 68 f Abs. 1 StGB als unbegründet verworfen worden ist.
Bei Fortbestand der die befristete Führungsaufsicht anordnenden Beschlüsse in beiden Verfahren wird demnach im Anschluss an die Strafverbüßung im hiesigen Verfahren (notierter Endstrafentermin: 11.12.2010) ein gleichzeitiger Eintritt zweier Führungsaufsichten zu verzeichnen sein.
Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt der Führungsaufsicht ist nämlich nach
§ 68 f Abs. 1 StGB die Entlassung der verurteilten Person aus dem Strafvollzug, wobei dies im Falle der Anschlussvollstreckung die endgültige tatsächliche Entlassung in die Freiheit, nicht das Ende der ersten Strafe bedeutet (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 68 f Rdn. 7).
Dies bedeutet, dass im Entlassungszeitpunkt die Vorschrift des § 68 e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB zu beachten sein wird.
Hiernach endet die Führungsaufsicht, soweit sie nicht unbefristet ist, mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht.
Der Senat teilt die Auffassung, wonach aufgrund teleologischer Auslegung des § 68 e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB diese Vorschrift auch auf gleichzeitig eintretende Führungsaufsichten anzuwenden ist (vgl. hierzu OLG Nürnberg, BeckRS 2008, 5017; anders unter maßgeblicher Orientierung an dem Wortlaut der Vorschrift: OLG Köln, Beschl. v. 13.01.2010 - 2 Ws 20-21/10).
Durch das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.04.2007 sollte die Maßregel der Führungsaufsicht zu einem flexiblen und effizienten Instrument strafrechtlicher Gefahrenabwehr ausgebaut werden. Deshalb sieht die in diesem Zuge neugefasste Vorschrift des § 68 e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StGB vor, dass mit dem Eintritt einer neuen Führungsaufsicht jede früher eingetretene, zeitlich befristete Führungsaufsicht erledigt ist. Denn der Zweck der Führungsaufsicht wird nicht schneller oder besser erreicht, wenn verschiedene Führungsaufsichten - möglicherweise mit unterschiedlichen Weisungen - nebeneinander bestehen (Senatsbeschl. v. 08.01.2008, BeckRS 2008, 1941). Dieses Verständnis der Vorschrift ergibt sich unter Heranziehung der Ausführungen im entsprechenden Gesetzesentwurf (BT-Drucks. 16/1993, S. 22), in dem es heißt:
"Nach dem bisherigen Recht kann es dazu kommen, dass mehrere Führungsaufsichten parallel zueinander laufen… Parallele Führungsaufsichten bedingen mehrfachen Verwaltungsaufwand (z.B. durch doppelte Aktenführung), dem in der Regel kein praktischer Nutzen gegenübersteht. Deshalb sollte das Nebeneinander mehrerer Führungsaufsichten soweit möglich vermieden werden. Der Empfehlung des Strafrechtsausschusses, dass mit Eintritt einer neuen Führungsaufsicht jede früher eingetretene Führungsaufsicht ihre Erledigung finden sollte, wurde für den Regelfall der zeitlich befristeten Führungsaufsicht gefolgt (§ 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB-E.)."
Wenn auch der Fall des gleichzeitigen Eintritts hierbei keine Erwähnung findet, so lässt die Begründung des Gesetzesentwurfs unmissverständlich erkennen, dass ein Nebeneinander von Führungsaufsichten gerade nicht für sinnvoll erachtet wurde (OLG Nürnberg, BeckRS 2008, 5017), so dass bei teleologischem Verständnis des § 68 e Abs. 1 S. Nr. 3 StGB diese Regelung gleichermaßen auf gleichzeitig eintretende Führungsaufsichten anzuwenden ist. Nur so kann das vom Gesetzgeber gewollte Ziel, die Vermeidung mehrerer nebeneinander laufender Führungsaufsichten, erreicht werden. Eine sachliche Notwendigkeit für eine unterschiedliche Behandlung ist nicht ersichtlich (OLG Nürnberg, wie vor).
Dies vorausgeschickt kann, - wie hier -, im Zeitpunkt des gleichzeitigen Eintritts zweier befristeter Führungsaufsichten nach § 68 f Abs. 1 StGB im Regelfall allein eine "neue" Führungsaufsicht Bestand haben und muss die andere Führungsaufsicht kraft gesetzlicher Anordnung in Wegfall geraten.
Wegen der Aktualität und Sachnähe der hiesigen und noch bis zum 11.12.2010 andauernden...