Entscheidungsstichwort (Thema)
Sicherungsverwahrungsvollzug. Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum. Entziehung der Kleidung
Leitsatz (amtlich)
1. Die bei einer Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum (hier: nach § 69 Abs. 2 Nr. 5 SVVollzG NRW) erfolgte Wegnahme der Kleidungsstücke kann zwar zur Abwendung erheblicher Gefahren für den Betroffenen gerechtfertigt sein; dem Betroffenen ist grundsätzlich aber unmittelbar und gleichzeitig mit der Entkleidung Ersatzkleidung aus schnell reißendem Material zur Verfügung zu stellen, um ihm ein Mindestmaß an Intimsphäre zu bewahren und ihn nicht zum bloßen Objekt des Vollzuges zu degradieren. Ist das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr der Selbstverletzung oder Selbsttötung, der auch durch das Bereitstellen von Spezialkleidung nicht begegnet werden kann, nicht eindeutig festzustellen, ist der Betroffene durch die Entziehung der Kleidung bei gleichzeitiger Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt, die gegen Artikel 3 der Europäischen Konvention für Menschenrechte verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.03.2015 - 2 BvR 1111/13 -, juris).
2. Die Unterbringung in einem besonders gesicherten Raum gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 5 SVVollzG NRW darf nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert (§ 70 Abs. 3 SVVollzG NRW); auch sind nicht nur die ursprüngliche Anordnung, sondern auch die Entscheidungen zur Fortdauer sowie die Durchführung einer solchen Maßnahme zu dokumentieren (§ 70 Abs. 4 S. 3 SVVollzG NRW), um die Rechtmäßigkeit der Dauer dieser Unterbringung überprüfen zu können.
Normenkette
SVVollzG NRW § 69 Abs. 2 Nr. 5, § 70 Abs. 3, 4 S. 3
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Entscheidung vom 18.08.2017; Aktenzeichen 2 StVK 372/16) |
Tenor
Dem Betroffenen wird kostenfrei gemäß § 120 StVollzG i. V. m. §§ 44, 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 18.08.2017 gewährt, da der Betroffene die vorgenannte Frist ohne sein Verschulden versäumt hat.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Gegen den Betroffenen wird aufgrund einer in dem angefochtenen Beschluss nicht näher bezeichneten Verurteilung wegen sexueller Nötigung seit dem 10.08.2003 - unterbrochen durch eine psychiatrische Unterbringung und den Vollzug vorrangig zu verbüßender Freiheitsstrafen - die Maßregel der Sicherungsverwahrung in der JVA X vollzogen.
Nachdem am 22.07.2016 festgestellt wurde, dass an der Rückseite des TV-Gerätes des Betroffenen mehrere Schrauben entfernt und Siegelmarken manipuliert worden waren, und er im Anschluss an eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Kontrolle eingeräumt hat, dass er ein bei einem anderen Untergebrachten aufgefundenes Mobiltelefon in dessen Zimmer mitgebracht hatte, wurden gegen den Betroffenen nach der nicht näher konkretisierten Darstellung im angefochtenen Beschluss "umfangreiche allgemeine und besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet". Der Betroffene kam hierbei Anordnungen der Bediensteten nicht nach, drohte mit Gewalttätigkeiten bzw. damit, später einen von ihnen "kalt" zu machen, und folgte auch nach der Androhung von unmittelbarem Zwang nicht der Anweisung, seine Kleidung herauszugeben und einen besonders gesicherten Raum ohne gefährdende Gegenstände aufzusuchen, weshalb er zu Boden gebracht und gegen 17.30 Uhr tragend in einen solchen Raum verbracht und dort nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses erneut entkleidet wurde. Dass der Betroffene in seinem vom Senat von Amts wegen zur Kenntnis genommenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 27.11.2016 vorgebracht hat, dass er auch in den folgenden elf Tagen unbekleidet gewesen sei, findet in dem Beschluss zumindest keine ausdrückliche Berücksichtigung.
In dem vorgenannten Raum verblieb der Antragsteller bis zum 02.08.2016 gegen 16.55 Uhr. Während dieses Aufenthaltes - so die Darstellung in der angefochtenen Entscheidung - "schlug und trat er mehrfach gegen die Wände und die Tür, sprach Beleidigungen und Drohungen über die Rufanlage aus und betätigte immer wieder die Notrufanlage, sobald diese abgestellt wurde, so dass ca. alle fünf Sekunden ein akustisches Signal auf dem gesamten Flur der Abteilungen B3 und D3 zu vernehmen war. In der Nacht vom 22. auf den 23.07.2016 zapfte er außerdem ununterbrochen Wasser aus der Zapfanlage und versuchte, es unter der Tür hindurch zu leiten, so dass das Wasser abgestellt wurde. Des Weiteren urinierte er in eine Ecke des Raumes und warf einen gefüllten Wasserbecher in Richtung der Türklappe. Mehrmals versteckte sich der Antragsteller unter der Matratze und manipulierte an dieser, so dass die Matratze zeitweise a...