Entscheidungsstichwort (Thema)
Sprungrevision. Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Voraussetzungen für eine Beschränkung der Revision auf die Maßregelanordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beschränkung der Revision auf die Maßregelanordnung ist unwirksam, wenn diese nicht losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft werden kann.
2. Die Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) kann nicht losgelöst von den Strafzumessungserwägungen beurteilt werden, wenn die Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs auf einen Charaktermangel zurückzuführen ist. In diesem Fall stehen Straf- und Maßregelausspruch in einer so engen gegenseitigen Abhängigkeit, dass eine Beschränkung der Revision auf die Maßregel jedenfalls unzulässig ist.
3. Die Verhängung einer lebenslangen Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 S. 2 und 3 StPO bedarf stets besonders sorgfältiger Prüfung und erschöpfender Begründung. Sie setzt voraus, dass die gesetzliche Höchstfrist von fünf Jahren zur Abwendung der vom Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Sie kommt in erster Linie bei körperlich oder geistig begründeter Fahruntüchtigkeit in Betracht, wenn eine Besserung ausgeschlossen erscheint.
Normenkette
StGB §§ 69, 69a
Verfahrensgang
AG Altena (Aktenzeichen 12 Ds 94/18) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Altena zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Altena verhängte gegen den Angeklagten am 27. September 2018 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten. Des Weiteren wurde die Straßenverkehrsbehörde angewiesen, dem Angeklagten keine neue Fahrerlaubnis mehr zu erteilen.
Zur Begründung der Maßregelanordnung führte das Amtsgericht in den Urteilsgründen Folgendes aus:
"VII. führerscheinrechtliche Maßnahmen
Der Angeklagte hat sich durch die Fahrt als charakterlich nicht geeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr gezeigt. Gemäß § 69 Buchst. a StGB war eine lebenslange Sperrfrist Jahren anzuordnen. Dem Angeklagten ist es offensichtlich völlig egal, ob er einen Führerschein hat, oder nicht. Er fährt trotzdem."
Die gegen dieses Urteil mit Telefax-Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 04. Oktober 2018 eingelegte Berufung hat der Angeklagte mit weiterem Schriftsatz vom 31. Oktober 2018 als Sprungrevision bezeichnet und beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Altena vom 27. September 2018 im Rechtsfolgenausspruch mitsamt den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Altena zurückzuverweisen. Er rügt die Verletzung sachlichen Rechts und führt unter näherer Darlegung aus, das Amtsgericht habe bei seiner Entscheidung über die Nichtgewährung der Strafaussetzung zur Bewährung nicht sämtliche Umstände berücksichtigt und gegeneinander abgewogen. Zudem sei die Anordnung der lebenslangen Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 S. 2 StGB nicht in einer den Anforderungen der Rechtsprechung genügenden Weise begründet worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt in ihrer Zuschrift vom 22. November 2018,
das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Altena zurückzuverweisen .
Zur Begründung führt sie unter ausführlicher Darlegung und insoweit in Übereinstimmung mit dem Revisionsvorbringen aus, die Anordnung der lebenslangen Sperrfrist könne (zumindest vorläufig) keinen Bestand haben.
Von der ihr mit Verfügung des stellvertretenden Senatsvorsitzenden vom 26. November 2018 eingeräumten Möglichkeit, zu der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Hamm vom 22. November 2018 Stellung zu nehmen, hat die Verteidigerin des Angeklagten keinen Gebrauch gemacht.
II.
Die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen Urteil des Amtsgerichts Altena ist gemäß §§ 335 Abs. 1, 312 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Es war dem Angeklagten insbesondere unbenommen, das zunächst als Berufung eingelegte Rechtsmittel innerhalb der Revisionsbegründungsfrist als Revision fortzuführen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 335 Rn. 10, m.w.N.).
Die (Sprung-) Revision hat mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und in diesem Umfang zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Altena.
Nach § 337 Abs. 2 StPO ist die Revision begründet, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
1.
Die (Sprung-) Revision ist von der Verteidigerin des Angeklagten in der Revisionsbegründung mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2018 wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt ...