Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung in einem privatschriftlichen Einzeltestament
"Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem Berliner Testament erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel."
kann nicht dahin ausgelegt werden, dass der Erblasser seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hat.
Normenkette
BGB §§ 2084, 2269
Verfahrensgang
AG Münster (Beschluss vom 09.01.2014; Aktenzeichen 68 VI 303/13) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten zu 1) auferlegt einschließlich etwa entstandener außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 2) und 3) im Beschwerdeverfahren.
Der Geschäftswert wird auf 100.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 1) in zweiter Ehe verheiratet. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind seine Kinder aus erster Ehe, die geschieden worden ist.
Am 28.8.2012 errichtete der Erblasser ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgenden Wortlaut hat:
"Mein Testament
Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem "Berliner Testament" erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel."
Die Beteiligte zu 1) meint, ihr verstorbener Ehemann habe sie damit zur Alleinerbin bestimmt. Sie hat daher beantragt, ihr zum Zwecke der Berichtigung des Grundbuchs einen Erbschein auszustellen, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Nachlass bestehe im Wesentlichen aus dem bebauten Grundstück in N, das dem Erblasser allein gehört habe.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind dem Antrag entgegengetreten. Sie vertreten die Auffassung, das Testament enthalte keinen hinsichtlich der Erbfolge auslegungsfähigen Inhalt, und haben einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, nach dem sie aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu je ¼ Anteil und die Beteiligte zu 1) zu ½ Anteil Erben des Erblassers seien.
Mit Beschluss vom 9.1.2014 hat das AG den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Gegen diese ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 16.1.2014 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 12.2.2014 bei dem AG eingegangene Beschwerde der Beteiligten zu 1), der das Nachlassgericht durch Beschluss vom 20.2.2014 nicht abgeholfen hat.
II. Die Beschwerde ist nach § 58 FamFG statthaft und in der rechten Form und Frist eingelegt, §§ 63, 64 FamFG. Die Beteiligte zu 1) ist nach § 59 FamFG beschwerdebefugt. Der Beschwerdewert ist erreicht, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt, § 61 Abs. 1 FamFG.
In der Sache ist die Beschwerde unbegründet, weil das AG zutreffend den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen hat. Denn das vom Erblasser hinterlassene Testament enthält weder ausdrücklich eine Berufung der Beteiligten zu 1) als Alleinerbin noch kann diese der letztwilligen Verfügung im Wege der Auslegung entnommen werden.
Bei der Auslegung eines jeden Testaments ist der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (§ 133 BGB), selbst in den - seltenen - Fällen "klaren und eindeutigen" Wortlauts ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt. Dabei darf sich der Richter nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken, sondern muss auch alle ihm zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments auswerten, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu "hinterfragen". Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen, die der Erklärende seiner Willenserklärung "wirklich" beilegen wollte (BGH NJW 1993, 256; Senat in ständiger Rechtsprechung, z.B. FamRZ 2012, 1091). Demgemäß hat der BGH wiederholt ausgesprochen, dass der Richter auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden ist, wenn der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 86, 41).
Der Erblasserwille ist als sog. innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich und geht, wenn er feststeht und formgerecht erklärt ist, jeder anderen Interpretation vor (BGHZ 86, 41). Kann der Richter sich aber trotz Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, dann muss er sich - wiederum unter Auswertung von Wortlaut und allen Umständen - notfalls mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht...