Leitsatz (amtlich)
Hat der Verurteilte ausschließlich auf die Freiheitsstrafe angerechnete Untersuchungshaft verbüßt hat und befindet er sich zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Entscheidung über eine bedingte Strafaussetzung befasst wird, auf freiem Fuß befindet, ist für diese Entscheidung über die bedingte Entlassung nicht die Strafvollstreckungskammer, sondern das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig.
Verfahrensgang
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der für die Entscheidung in der Sache berufenen Strafkammer des Landgerichts Hagen vorbehalten.
Gründe
I.
Durch Urteil vom 8. Mai 2001, rechtskräftig seit dem selben Tag, hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hagen gegen den Beschwerdeführer wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten - ohne Strafaussetzung zur Bewährung -erkannt. Der Verurteilte befand sich für dieses Verfahren aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Lüdenscheid in dem Zeitraum vom 15. November 2000 bis zur Urteilsverkündung am 8. Mai 2001, mithin fast sechs Monate, in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Hagen. Im Anschluss an die Urteilsverkündung hat das Landgericht Hagen den Haftbefehl aufgehoben; sodann haben sowohl der Verurteilte als auch die Staatsanwaltschaft noch in der Hauptverhandlung auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet.
Der Verurteilte ist sogleich auf freien Fuß gesetzt worden, da die Staatsanwaltschaft von der unmittelbaren Einleitung der Strafvollstreckung abgesehen hat.
Im Hinblick darauf, dass der Verurteilte durch Anrechnung der Untersuchungshaft bis auf einen ganz geringen Rest zwei Drittel der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe verbüßt hat, hat die Staatsanwaltschaft die Sache dem Landgericht Hagen mit Verfügung vom 23. August 2001, dort eingegangen am 30. August 2001, zur Entscheidung über die Aussetzung des Strafrestes gemäß § 57 Abs. 1 StGB vorgelegt.
Durch Beschluss vom 13. September 2001 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen nach Anhörung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Hagen, der eine vorzeitige Entlassung des Verurteilten aufgrund seines Verhaltens während seiner Inhaftierung grundsätzlich befürwortet hat, und nach mündlicher Anhörung des Verurteilten die bedingte Strafaussetzung - wie von der Staatsanwaltschaft beantragt - abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde.
II.
Die gemäß § 454 Abs. 3 StPO, § 57 StGB statthafte und gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat Erfolg, denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen war für die von ihr getroffene Entscheidung sachlich nicht zuständig.
Zuständig für die hier zu treffende Entscheidung nach § 454 Abs. 1 StPO, § 57 Abs. 1 StGB war gemäß § 462 a Abs. 2 Satz 1 StPO vielmehr das Gericht des ersten Rechtszuges und damit die 1. große Strafkammer des Landgerichts Hagen.
Zwar liegt die Entscheidungskompetenz in den Fällen des § 454 Abs. 1 StPO in der Regel bei der Strafvollstreckungskammer (§ 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO), in deren Bezirk der Verurteilte die Freiheitsstrafe verbüßt. Wenn aber - wie vorliegend - der Verurteilte ausschließlich die auf die Freiheitsstrafe angerechnete Untersuchungshaft verbüßt hat und sich zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Entscheidung über eine bedingte Strafaussetzung befasst wird, auf freiem Fuß befindet, ist für diese Entscheidung das erkennende Gericht zuständig ( vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Januar 1980 in 3 Ws 39/80, veröffentlicht in NJW 1980, 2090 und Beschluss vom 18. Januar 1978 in 4 Ws 25/78, veröffentlicht in MDR 1978, 592; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. , § 454 Rdnr. 42).
Dies folgt aus § 462 a Abs. 2 Satz 1 StPO, wonach in anderen als den in § 462 a Abs. 1 StPO bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig ist. Die Voraussetzungen, welche die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nach § 462 a Abs. 1 StPO begründen, liegen nicht vor. Aus § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO ergibt sich die sachliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer für eine Entscheidung nach § 454 StPO, 57 StGB dann, wenn der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, in eine Justizvollzugsanstalt zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe aufgenommen worden ist.
Diese Fallkonstellation ist hier aber nicht gegeben. Zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bestand die Untersuchungshaft nicht mehr. Zwar geht nach geltender Rechtsprechung mit dem Tag der Rechtskraft die vollzogene Untersuchungshaft automatisch in Strafhaft über, ohne dass es der förmlichen Einleitung der Strafhaft nach § 451 StPO bedarf (vgl. BGH St 38, 64; OLG Celle, NStZ 1985, 188; vgl. auch OLG Dresden StV 1999, 551; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 155, 156). Jedoch lässt sich hieraus nicht zwangsläufig auf die Zuständigkeit ...