Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob die Vollstreckung einer infolge Betäubungsmittelabhängigkeit verwirkten Freiheitsstrafe nach § 35 Abs. 1 BtMG zurückgestellt werden kann, wenn gegen den Verurteilten noch eine andere Freiheitsstrafe zu vollstrecken ist.

 

Tenor

  • 1.

    Der Antrag des Betroffenen auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Entscheidung wird verworfen.

  • 2.

    Der Bescheid der Staatsanwaltschaft Münster vom 13. August 2004 in der Form der Beschwerdeentscheidung des Generalstaatsanwalts in Hamm vom 9. September 2004 wird aufgehoben.

    Die Staatsanwaltschaft Münster hat den Antrag des Betroffenen auf Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

  • 3.

    Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen werden bei einem Gegenstandswert von 2.500,00 EUR der Landeskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Warendorf sprach den Betroffenen mit Urteil vom 12. Januar 2000, rechtskräftig seit dem 20. Januar 2000, des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 20 Fällen sowie des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen schuldig und verhängte gegen ihn eine Jugendstrafe von einem Jahr drei Monaten, wobei die Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde (7 Ls 50 Js 1538/99 AK 109/99). Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen beruhten die abgeurteilten Taten auf einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Betroffenen, der bereits damals regelmäßig Ecstasy-Tabletten konsumierte. Mit weiterem Urteil vom 16. August 2000, rechtskräftig seit dem 24. August 2000, sprach das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Warendorf den Betroffenen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis schuldig und verhängte gegen ihn unter Einbeziehung des Urteils vom 12. Januar 2000 eine Jugendstrafe von einem Jahr und vier Monaten, deren Vollstreckung für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde (7 Ls 34 Js 642/00 AK 53/00). In dem entsprechenden Bewährungsbeschluss wurde dem Betroffenen u.a. aufgegeben, sich unverzüglich um einen Drogentherapieplatz zu bemühen, eine solche Therapie anzutreten und diese nicht ohne Zustimmung des Gerichts abzubrechen. Da der Betroffene dieser Weisung in der Folgezeit nicht nachkam, widerrief das Amtsgericht Warendorf mit Beschluss vom 13. September 2002, rechtskräftig seit dem 27. September 2002, die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil vom 16. August 2000.

In der Zeit vom 20. November 2002 bis zum 12. September 2003 verbüßte der Betroffene einen Teil der Jugendstrafe aus dem vorgenannten Urteil des Amtsgerichts Warendorf in der Justizvollzugsanstalt Hövelhof. Der Rest der Jugendstrafe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Delbrück vom 13. August 2003, rechtskräftig seit dem 29. August 2003, bis zum 11. September 2005 zur Bewährung ausgesetzt. Zwischenzeitlich war der Betroffene vom Amtsgericht Beckum mit Urteil vom 28. Januar 2003, rechtskräftig seit dem 5. Februar 2003, wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln (Haschisch, Ecstasy-Tabletten sowie Amphetamin), begangen am 20. November 2001, zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt worden.

Am 17. September 2003, also fünf Tage nach seiner Haftentlassung, wurde der Betroffene vorläufig festgenommen und anschließend aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Warendorf vom 18. September 2003 (7 Gs 327/03) in Untersuchungshaft genommen. In dem Haftbefehl wurde dem Betroffenen zur Last gelegt, am 17. September 2003 "zumindest versucht zu haben", Betäubungsmittel in nicht geringer Menge ohne Erlaubnis in seinen Besitz zu bringen und mit ihnen Handel zu treiben. Wegen der zugrunde liegenden Tat verurteilte das Amtsgericht Warendorf - Schöffengericht - den Betroffenen mit Urteil vom 15. April 2004 (4 Ls 50 Js 836/03 AK 15/03) wegen Beihilfe zum unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Dieses Urteil ist aufgrund einer von dem Betroffenen dagegen rechtzeitig eingelegten Berufung noch nicht rechtskräftig. Die Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Münster ist auf den 16. Dezember 2004 anberaumt. In seinem Urteil vom 15. April 2004 hat das Amtsgericht Warendorf ausgeführt, dass der Betroffene "als Drogenabhängiger gehandelt" habe und hierzu u.a. Folgendes festgestellt:

"Am 17.09.2003 gegen Mittag suchte der Angeklagte vergeblich eine im Gebüsch einer Sportanlage in Ennigerloh versteckte Tüte mit Betäubungsmitteln, die von dem Zeugen W. etwa drei Stunden zuvor zufällig gefunden und bei der Polizei abgeliefert worden war. Nach unwiderlegter Einlassung hatte der Angeklagte sich zuvor gegenüber einer von ihm nicht genannten Person, die nach deren Angaben "in Schwierigkeiten steckte", bereiterklärt, eine dort versteckte Tüte mit Drogen an sich zu nehmen und im Zug nach Dortmund zu transportieren, wo er die Tüte mit Inhalt e...

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