Leitsatz (amtlich)

Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch nur gedrängten) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrundeliegenden Verknüpfungstatsachen und der daraus geschlossenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmittelgericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen

 

Verfahrensgang

AG Gütersloh (Entscheidung vom 21.03.2006)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Gütersloh zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Gütersloh hat mit dem angefochtenen Urteil gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Begehung einer Ordnungswidrigkeit gem. §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274) 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 225,00 EUR sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 17.04.2005 gegen 6.55 Uhr mit dem von ihm geführten PKW mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXX in Schloss Holte-Stukenbrock die Oerlingerhauser Straße in Fahrtrichtung Schloss Holte. In dem außerhalb der geschlossenen Ortschaft liegenden Bereich der Einmündung Falkenstraße überschritt er die dort durch beidseitig der Fahrbahn aufgestellte Zeichen 274 auf 50 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit um 42 km/h. Die mit einer stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlage des Typs Traffiphot-S gemessene Geschwindigkeit betrug 95 km/h. Zugunsten des Betroffenen erfolgte ein Toleranzabzug in Höhe von 3 km/h.

Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, er sei nicht Fahrer des gemessenen Fahrzeugs gewesen.

Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen wie folgt begründet:

"Das Gericht ist zunächst davon überzeugt, dass es sich bei dem Betroffenen um den Fahrer des PKW handelte, der zur angegebenen Tatzeit von der der Geschwindigkeitsüberwachungsanlage angeschlossenen Kamera fotografiert worden ist.

Wegen der Einzelheiten der Abbildung wird auf die Foto Bl. 10 und 11 d.A. verwiesen, §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO.

Das Gericht hat den Betroffenen während der Verhandlung in Augenschein nehmen können. Es hat festgestellt, dass es sich bei dem Betroffenen um die auf dem Foto auf Bl. 1 c der Akte oben wiedergegebene männliche Person handelt.

Diese Feststellung stützt sich auf die überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H..

Der Sachverständige hat Auszüge von dem Messfoto gefertigt. Wegen dieser Auszüge wird gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Fotos Bl. 55 d.A. Bezug genommen. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass auf diesen Auszügen insgesamt 24 beschreibbare Gesichtsmerkmale zu sehen sind, u.a. die Gesichtszüge, das Gesichtsrelief, Gesichtsform, Weichteilpolsterung am Unterrand des Gesichts, Winkel der Nasenwurzel, Augenbrauen, Lidspalte, Nasenrücken, Nasenflüge, Mundwinkelfalte, Mund, Entfernung Nase-Mund, Kinn. Weiterhin hat der Sachverständige von dem Betroffenen in der Hauptverhandlung Polaroidfotos und Digitalfotos gefertigt.

Anhand der Polaroidfotos, wegen deren Einzelheiten gem. §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf Bl. 56 d.A. verwiesen wird, hat er nachgewiesen, dass sämtliche auf dem Messfoto erkennbare Merkmale in identischer Form auf den Polaroidfotos wieder zu finden sind. Schließlich hat der Sachverständige anhand digitalisierter Aufnahmen des Messfotos und des Betroffenen auf dem Bildschirm seines Notebooks die Identität der Proportionen beider Gesichter belegt, indem er beide Fotos übereinander gelegt hat. Angesichts dieser Ausführungen hatte das Gericht, das den Sachverständigen aus zahlreichen Verhandlungen als zuverlässig und sachkundig kennen gelernt hat, keine Zweifel an der Fahrereigenschaft des Betroffenen.

Die von dem Sachverständigen aufgezeigte Möglichkeit, dass eine gleiche Übereinstimmung bei einem nahen Verwandten des Betroffenen gefunden werden könne, musste außer Betracht bleiben. Der Betroffene hat trotz Aufforderung des Gerichts keine Person benannt, die noch als Fahrer in Betracht gekommen wäre. Das Gericht ist unter diesen Umständen nicht verpflichtet und auch nicht in der Lage, von sich aus zu ermitteln, wer eventuell noch das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt haben könnte."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er am 27.03.2006 zu Protokoll der Geschäftsstelle sowie durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 08.08.2006 näher begründet hat.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die durch den Betroffenen selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Gütersloh eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme...

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