Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu einem weitgehenden Ausschluss des nachehelichen Unterhalts (bis auf den Betreuungsunterhalt) sowie zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs und des Zugewinnausgleichs für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit noch nicht zu rechtfertigen vermögen, kann das objektive Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines der Ehegatten abzielen und damit zur objektiven Sittenwidrigkeit führen (im Anschluss an den in gleicher Sache ergangenen Beschluss des BGH vom 20.03.2019 - XII ZB 310/18 -, FamRZ 2019, 953).

2. Eine subjektive Vertragsimparität des benachteiligten Ehegatten kann sich vor dem Hintergrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit sowie seiner sprachlichen Unterlegenheit im Beurkundungsverfahren ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn der benachteiligte Ehegatte im Falle eines Verzichts auf die Eheschließung zusammen mit dem von ihm betreuten gemeinsamen Kind, welches sich noch im Säuglings- oder Kleinkindalter befindet, aus wirtschaftlichen Gründen in sein Heimatland zurückkehren müsste und dort einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (im Anschluss an den in gleicher Sache ergangenen Beschluss des BGH vom 20.03.2019 - XII ZB 310/18 -, FamRZ 2019, 953).

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

AG Lüdenscheid (Aktenzeichen 5 F 185/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der am 29.3.2017 erlassene Teilfeststellungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lüdenscheid abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der zwischen den Beteiligten am 25.09.1995 vor dem Notar E in M zur Urkundsrollennummer .../1995 geschlossene Ehevertrag nichtig ist.

Der Antragsteller wird verpflichtet, in der ersten Stufe der Antragsgegnerin in einer zusammenhängenden und aus sich heraus verständlichen Aufstellung Auskunft über sein gesamtes Vermögen mit allen Aktiva und Passiva zum 2.10.1995 (Anfangsvermögen Eheschließung), 28.06.2014 (Trennungstag) sowie 14.04.2016 (Zustellung des Scheidungsantrages) zu erteilen und in der Auskunft die wertbildenden Faktoren der zum Vermögen gehörenden Sachen, Sachgesamtheiten und Rechte, insbesondere Gesellschaftsanteile mitzuteilen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1 Million EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund um einen Stufenantrag zum Zugewinnausgleich und die Wirksamkeit eines Ehevertrages.

Der 1968 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die 1965 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) schlossen am 2.10.1995 vor dem Standesamt D in W/USA die Ehe. Aus dieser sind vier gemeinsame Kinder hervorgegangen, der bereits vor der Eheschließung am 06.03.1995 geborene Sohn B und drei Töchter, J, geboren am ....02.1997, M2, geboren am ....12.1998, und O, geboren am ....03.2002. Spätestens seit dem 28.06.2014 leben die Beteiligten getrennt.

Der Ehemann ist deutscher Staatsangehöriger und von Beruf Kaufmann mit einem von ihm angegebenen monatlichen Nettoeinkommen von 15.000 EUR. Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter eines aus einem Familienbetrieb hervorgegangenen mittelständischen Unternehmens. Die Ehefrau ist britische Staatsangehörige. Sie war vor der Ehe in England als ungelernte Buchhalterin im Speditionsunternehmen ihres Vaters tätig. Im Jahr 1993 gab sie ihre Tätigkeit in England auf und zog zu ihrem Ehemann nach Deutschland. Eine neue Erwerbstätigkeit nahm sie in Deutschland nicht auf. Ob und inwieweit sie weiterhin von Deutschland aus für das Unternehmen ihres Vaters arbeitete, ist zwischen den Parteien streitig. Auch während der gesamten Ehezeit war die Ehefrau nicht erwerbstätig, sondern betreute die vier gemeinsamen Kinder und führte den Haushalt.

Kurz vor der Eheschließung schlossen die Beteiligten am 25.9.1995 vor dem Notar E in M zur Urkundsrollennummer .../1995 einen notariell beurkundeten Ehevertrag. In den Eingangsbemerkungen der deutschsprachigen Niederschrift hieß es wie folgt:

"Die Erschiene zu 2. erklärte, sie sei der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig. Die Erschienenen erklärten, sie seien damit einverstanden, dass der Notar den nachfolgenden Ehevertrag übersetze. Eine vorliegende schriftliche Übersetzung des Ehevertrages wurde den Beteiligten zur Durchsicht vorgelegt. Diese Übersetzung in englischer Sprache ist dieser Niederschrift als Anlage beigefügt. Der Notar wies darauf hin, dass auch ein Dolmetscher hinzugezogen werden könne oder eine gesonderte schriftliche Übersetzung verlangt werden könne. Die Vertragschließenden erklärten, sie seien mit der Übersetzung durch den Notar einverstanden.

Der Notar verlas sodann den nachfolgenden Ehevertrag und die als Anlage dieser Niederschrift beigefügte englische Übersetzung, die beide von den Vertragschließenden genehmigt und unter der deutschen Fassung unters...

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