Verfahrensgang

LG Bochum (Aktenzeichen 8 O 141/21)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 26.10.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Bochum gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil er davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.

 

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin ist offensichtlich unbegründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, für die Klägerin günstigere Entscheidung, § 513 ZPO.

Das Landgericht hat zu Recht die geltend gemachten Schadenersatzansprüche wegen der von der Beklagten veranlassten Unterbrechung der Stromversorgung am 29.6.2020 (von 8.00 Uhr bis 11.50 Uhr) nicht zuerkannt.

Die Berufungsangriffe geben keinen Anlass zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

1. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte wegen der Unterbrechung der Stromversorgung als solcher keine Schadenersatzansprüche gem. § 280 BGB i.V.m. §§ 3, 18 NAV oder aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 18 NAV zu.

Denn die Beklagte hat die Bewohner als Anschlussnutzer rechtzeitig und in geeigneter Weise über die Unterbrechung der Anschlussnutzung in Kenntnis gesetzt (§ 17 Abs. 2 NAV); dabei kann die Behauptung der Klägerin unterstellt werden, dass die Benachrichtigung am 27.6.2020 (Beklagte: 26.6.2020) durch eine an die Haustür des Hauses angehefteten Zettel erfolgt ist, der die Empfehlung enthielt, elektrische Geräte abzuschalten.

Die von der Klägerin vertretene Auffassung, die Beklagte als Netzbetreiber sei verpflichtet gewesen zu eruieren, welche Häuser im betreffenden Gebiet mit Fahrstühlen ausgestattet seien und die Wohnungseigentumsverwaltungen zu informieren, teilt der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht nicht.

Die von der Klägerin definierten Anforderungen wären - auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Datenschutzes nach der DSGVO - mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Wie das Vordergericht überzeugend ausgeführt hat, lässt sich aus § 17 Abs. 2 S. 2 NAV ablesen, dass der Verordnungsgeber den Anschlussnutzern Mitwirkungspflichten auferlegt und die mit der Unterbrechung der Stromversorgung aufgrund physikalischer Gegebenheiten regelmäßig auftretenden transienten Überspannungen (vgl. DIN EN 50160 "Merkmale der Spannung in öffentlichen Elektrizitätsversorgungsnetzen", https://de.wikipedia.org/wiki/EN_50160) nicht zum Anlass nimmt, den Netzbetreibern besondere Unterrichtungspflichten aufzuerlegen.

Die nach der Klägerin am 27.6.2020 erfolgte Benachrichtigung war rechtzeitig.

Die Abschaltung der Elektrizitätsversorgung des Fahrstuhls kann nicht mit besonderen Aufwendungen verbunden gewesen sein, weil eine entsprechende - abschaltbare - Sicherung vorhanden gewesen sein muss. Ein erheblicher zeitlicher Vorlauf war daher nicht notwendig.

Soweit die Klägerin vorträgt, ein gewöhnlicher Bewohner des Hauses könne nicht die Stromversorgung des Aufzuges abstellen, ist dem entgegenzuhalten, dass die Miteigentümer der Wohnungseigentumsanlage ohne weiteres die Möglichkeit hatten, die Risiken, welche mit nach der allgemeinen Lebenserfahrung voraussehbaren Unterbrechungen der Stromversorgung verbunden sind (z.B. aufgrund von Blitzeinschlag, Beschädigung des Stromnetzes oder durch Arbeiten am Netz), durch den Einbau von Überspannungsschutzvorrichtungen oder durch präventive organisatorische Vorkehrungen zu beherrschen.

Die schriftliche, an die Hauseingangstür geklebte Mitteilung stellt eine zulässige Form der Benachrichtigung gem. § 17 Abs. 2 NAV dar (Theobald/Kühling/Hartmann/Blumenthal-Barby, 112. EL Juni 2021, NAV § 17 Rn. 14, 15).

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht zudem einen Schadenersatzanspruch gem. § 1 Abs. 1 S. 2 ProdHaftG verneint, selbst wenn zugunsten der Klägerin unterstellt wird, dass die Beklagte Herstellerin des Produktes "Strom" (§ 2 ProdHaftG) ist, wozu bei einem Netzbetreiber die Transformation des Stroms in einen für den Endverbraucher nutzbaren Niederspannungsbereich erforderlich ist (BGH, Urt. v. 25.2.2014 - VI ZR 144/13, juris).

a) Die Unterbrechung der Versorgung als solche vermag einen Anspruch nicht auszulösen, weil dadurch kein und nicht ein fehlerhaftes Produkt i.S. § 3 ProdHaftG geliefert wird (etwa Grüneberg/Sprau, 81. Aufl., Rn. 1 zu § 2 ProdHaftG).

b) Dagegen kann ein Überspannungsschaden als solcher Ansprüche nach dem ProdHaftG auslösen (z.B. BGH a.a.O.).

Jedoch löst nicht jeder durch Überspannung verursachte Schaden Ansprüche nach dem Produkthaftungsgesetz aus. § 16 Abs. 3 NAV konkretisiert in seinem Anwendungsbereich die berechti...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge