Leitsatz (amtlich)
Zwar sieht § 51 RVG vor, dass auf Antrag auch für einzelne Verfahrensabschnitte eine Pauschgebühr gewährt werden kann, allerdings ergibt sich aus dem Gesetzestext nicht, dass sich die Zumutbarkeitsprüfung auch nur auf diese Verfahrensabschnitte bzw. auf die durch die Gebührenzugehörigkeit sich ergebenden Unterabschnitte beschränken darf.
Tenor
Dem Antragsteller wird an Stelle seiner gesetzlichen Gebühren nach Nr. 4101 und 4113 VV RVG in Höhe von insgesamt 313,00 EUR eine Pauschgebühr in Höhe von 900,00 EUR (in Worten: neunhundert Euro) bewilligt.
Der weitergehende Antrag wird abgelehnt.
Gründe
Der Antragsteller, der erst nach Anklageerhebung erstmals mit der Verteidigung befasst worden ist, begehrt mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, für seine Tätigkeit in diesem Verfahren eine Pauschgebühr, die er mit 2.000,00 EUR allein bezogen auf die Gebühren nach Nrn. 4101 und 4113 VV RVG beziffert hat. Nur ausschließlich auf diese beiden Gebühren (nämlich die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr für den ersten Rechtszug vor der Strafkammer) und die diesen unterliegenden Tätigkeiten erstreckt sich sein Antrag.
Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse ausführlich Stellung genommen und dabei den Tätigkeitsumfang des Antragstellers sowie die ihm zustehenden gesetzlichen Gebühren zutreffend dargelegt und gegen die Bewilligung einer angemessenen Pauschgebühr bezogen auf die allein in Rede stehenden Gebühren keine Bedenken erhoben.
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und nimmt auf sie Bezug.
Mit dem Vorsitzenden der Strafkammer und dem Vertreter der Staatskasse hält auch der Senat das Verfahren im Vergleich zu anderen Verfahren, die vor einer allgemeinen Strafkammer verhandelt werden, noch nicht für besonders schwierig i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG.
Soweit der Antragsteller seinen Antrag in erster Linie mit der Einarbeitung in 1.774 Seiten Akten, die er nach Kopie und Überlassung an den früheren Angeklagten mit diesem dann im Einzelnen besprochen haben will, begründet, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um einen bereits überdurchschnittlichen Aktenumfang und Prozessstoff handelt. Unter Berücksichtigung auch der Haftbesuche bei dem durchgängig inhaftierten Mandanten sind die Tätigkeiten des Antragstellers im erstinstanzlichen Verfahren vor Beginn der Hauptverhandlung insgesamt schon als besonders umfangreich anzusehen. Insgesamt erscheint es auch nicht mehr zumutbar, den Antragsteller allein auf die gesetzlichen Gebühren - bezogen auf die Nrn. 4101 und 4113 VV RVG - zu verweisen, so dass dem Grunde nach eine Pauschgebühr zu bewilligen war.
Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles hält der Senat insoweit eine Pauschgebühr in Höhe von 900,00 EUR für angemessen, aber auch ausreichend und hat demgemäß diesen Betrag festgesetzt. Nur eine diesen Betrag unterschreitende Pauschgebühr wäre für den Antragsteller nicht mehr zumutbar.
Bei der Bemessung dieses Betrages sind insbesondere die nachfolgenden Erwägungen, die in der dem Antragsteller bekannt gegebenen Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse dargelegt worden sind, von Bedeutung:
"Die Pauschgebühr nach § 51 RVG soll nach dem Willen des Gesetzgebers, der die Rechtsanwaltsvergütung insbesondere für den Bereich der Pflichtverteidigung erheblich verbessert hat, Ausnahmecharakter haben (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 201, 202; Burhoff, RVG, § 51 Rdn. 1, 10).
§ 51 RVG knüpft daher nicht - wie noch § 99 BRAGO - allein daran an, ob die Strafsache besonders umfangreich und/oder schwierig ist. Hinzutreten muss vielmehr, dass die gesetzlich bestimmten - und im Vergleich zur bisherigen Rechtslage erheblich angehobenen - Gebühren als unzumutbar erscheinen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.3.2006, 2 AR 73/05; veröff. unter www.burhoff.de).
M. E. kann bei der Zumutbarkeitsprüfung die Summe sämtlicher entstandener Gebühren im Verhältnis zu sämtlichen erbrachten Tätigkeiten berücksichtigt werden.
Zwar sieht § 51 RVG vor, dass auf Antrag auch für einzelne Verfahrensabschnitte eine Pauschgebühr gewährt werden kann, allerdings ergibt sich aus dem Gesetzestext nicht, dass sich die Zumutbarkeitsprüfung auch nur auf diese Verfahrensabschnitte bzw. auf die durch die Gebührenzugehörigkeit sich ergebenden Unterabschnitte beschränken darf.
Wenn andernfalls die Zumutbarkeitsprüfung nur noch im Rahmen der Gebühren der im Antrag ausgewählten Verfahrensabschnitte zulässig sein dürfte, würde dies einer Erweiterung der alten Regelung des § 99 BRAGO entsprechen und die langjährige Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Gesamtschau der anwaltlichen Tätigkeit mit Kompensationsbewertung praktisch zunichte machen (a.A. RVG - Straf- und Bußgeldsachen, 2. Auflage 2007, Autor: Burhoff, § 51 R. 32; Schneider/Wolf: Anwalt/Kommentar RVG, 5. Auflage 2010, Autor: N. Schneider, § 51 R. 100). Letztlich könnte der Antragsteller zunächst eine Pauschgebühr für einen Verfahrensabschnitt beantragen und das Ergebnis abwarten, bevor er dann weitere Ant...