Verfahrensgang
AG Unna (Beschluss vom 29.06.2016; Aktenzeichen 12 F 479/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers vom 06.07.2016 gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Unna vom 29.06.2016 (12 F 479/15) wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller nahm die Antragsgegnerin, seine Mutter, im Ausgangsverfahren auf die Herausgabe diverser Gegenstände in Anspruch. Beiden Beteiligten wurde Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Ratenzahlung bewilligt. Durch Beschluss vom 07.09.2015 wies das AG den Antrag zurück und legte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf. Der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wurde eine anwaltliche Vergütung von 365,93 EUR aus der Staatskasse gezahlt.
Durch Rechnung vom 27.05.2016 ist der Antragsteller zu diesen Kosten herangezogen worden. Seine Erinnerung hat das AG durch Beschluss vom 29.06.2016 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er meint, wegen der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe könne ihn die Staatskasse nicht auf Erstattung der an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin gezahlten Vergütung in Anspruch nehmen.
II. Die gemäß § 57 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das AG die Erinnerung des Antragstellers gegen die Kostenrechnung vom 27.05.2016 zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann die Staatskasse die nach § 59 Abs. 1 RVG auf sie übergegangenen Vergütungsansprüche eines beigeordneten Rechtsanwalts auch dann gegen den im Verfahren unterlegenen Beteiligten (hier den Antragsteller) geltend machen, wenn diesem ebenfalls ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist.
Nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung verhindert § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO nur, dass die Staatskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche eines beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten gegen den von diesem vertretenen Beteiligten geltend macht; eine Inanspruchnahme wegen der übergegangenen Vergütungsansprüche des gegnerischen Anwalts sei hingegen möglich (BGH, Beschluss vom 11.06.1997, XII ZR 254/94, FamRZ 1997, 1141; OLG Dresden, Beschluss vom 01.09.2009, 20 WF 751/09, FamRZ 2010, 583 f. OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2014, 2 W 106/14, MDR 2014, 923 f.; Wache, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 122 Rn. 13 m. w. N; anders OLG München, Beschluss vom 01.08.2013, 11 WF 1178/13, FamRZ 2014, 1880 ff.; Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 122 Rn. 6).
Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Für die Möglichkeit, von einem bedürftigen Beteiligten die an den beigeordneten Anwalt des Gegners gezahlte Vergütung im Festsetzungsverfahren zu verlangen, spricht § 123 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss. Diese Bestimmung beschränkt die Wirkungen der Verfahrenskostenhilfe auf die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Kosten eines bedürftigen Beteiligten (BGH, a.a.O.). Auch ein bedürftiger Beteiligter haftet daher für die Anwaltskosten des Gegners. Dass dies nicht gelten soll, wenn auch dem Gegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, überzeugt nicht. Soweit in § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO die auf die Staatskasse "übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei" genannt sind, folgt aus der Verwendung des Plurals nicht zwingend, dass hierunter auch die übergegangenen Ansprüche des gegnerischen Anwalts erfasst sind. Denkbar ist ebenso, dass einem bedürftigen Beteiligten mehrere Anwälte beigeordnet werden, wie beispielsweise ein Anwalt am Sitz des Gerichts und ein Verkehrsanwalt am Wohnsitz des Beteiligten. Gegen die hier vertretene Auffassung sprechen darüber hinaus nicht die Gesetzesmaterialien. Freilich sollte nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 17.07.1979 eine Inanspruchnahme der bedürftigen Partei auch wegen auf die Staatskasse übergegangener Ansprüche des dem Gegner beigeordneten Anwalts nicht stattfinden (BT-Drs. 8/3068, S. 20). Diese Begründung des Regierungsentwurfs hat in der Fassung der Gesetz gewordenen Vorschriften aber keinen hinreichenden Ausdruck gefunden (BGH, a.a.O.). Es ist außerdem anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine von ihm als fehlerhaft erkannte Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 1b) ZPO durch die nahezu einhellige Rechtsprechung korrigiert hätte; hierzu bestand hinreichend Gelegenheit, zuletzt insbesondere mit der umfassenden Reform durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.08.2013 (OLG Celle, a.a.O.).
Eine Kostenentscheidung ist nach § 57 Abs. 8 FamGKG nicht veranlasst.
Fundstellen
AGS 2017, 237 |
RVGreport 2017, 136 |