Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe bei Erwerbstätigenfreibetrag

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Prozesskostenhilfeprüfung ist für die erwerbstätige Partei ein Erwerbstätigenfreibetrag gem. § 115 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 82 Abs. 3 S. 1 SGB XII i.H.v. 30 % des erzielten Einkommens nur dann anzusetzen, wenn die Partei durchschnittlich nicht mehr als drei Stunden täglich an den Arbeitstagen erwerbstätig ist.

Bei einer zeitlich umfangreicheren Erwerbstätigkeit beträgt der Freibetrag für die erwerbstätige Partei gem. § 82 Abs. 3 S. 3 SGB XII maximal 50 % des Eckregelsatzes für einen Haushaltsvorstand, also derzeit 172,50 EUR monatlich.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 1; SGB XII § 82 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Tecklenburg (Beschluss vom 22.11.2004; Aktenzeichen 1 F 18/00)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 23.12.2004 wird der Beschluss des AG - FamG - Tecklenburg vom 22.11.2004 aufgehoben.

Das FamG wird angewiesen, erneut über eine Anordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

 

Gründe

I. Das FamG hat dem Antragsgegner, einem selbständigen Versicherungskaufmann, durch Beschluss vom 13.3.2000 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Die Entscheidung in der Hauptsache ist rechtskräftig seit dem 12.7.2001.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das FamG gem. § 120 Abs. 4 ZPO angeordnet, dass der Antragsgegner die durch die Landeskasse verauslagten Kosten in einer Summe zurückzuführen habe.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegner habe drei Kraftfahrzeuge, nach seinem Lebenszuschnitt sei es ihm zumutbar, die Vermögenswerte zur Zahlung der Prozesskosten einzusetzen.

Gegen die Entscheidung des FamG hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Auffassung, dass sich seine Einkommensverhältnisse nicht wesentlich verbessert hätten.

Der Senat hat eine Stellungnahme der Verwaltungsabteilung des OLG zu dem Beschwerdeverfahren eingeholt (Stellungnahme v. 11.2.2005), die den Bevollmächtigten des Antragsgegners abschriftlich zugegangen ist.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als das FamG über die Anordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden hat.

1. Wie die Verwaltungsabteilung des OLG in ihrer Stellungnahme, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, zutreffend ausgeführt hat, ist die Entscheidung des FamG insoweit fehlerhaft, als insb. wegen der Kreditfinanzierung der Kraftfahrzeuge ihre (teilweise) Verwertung nicht zumutbar ist.

2. Es kommt allerdings eine erstmalige Ratenanordnung gem. § 120 Abs. 4 ZPO wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen wesentlichen Einkommensverbesserung in Betracht (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 120 Rz. 20, 23). Nach den bisher vorliegenden Belegen und Angaben des Antragsgegners finden sich erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass sich dessen Einkommenslage wesentlich im Verhältnis zu der zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung verbessert hat; auch insoweit kann wegen der Einzelheiten auf die Stellungnahme der Verwaltungsabteilung verwiesen werden.

Die Veränderungsfrist von 4 Jahren seit Eintritt der Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung (§ 120 Abs. 4 S. 3 ZPO) ist noch nicht abgelaufen.

3. Für eine abschließende Entscheidung sind weitere Angaben und Unterlagen des Antragsgegners erforderlich.

Der Antragsgegner hat bislang keine zeitnahe Gewinnermittlung zu den Akten gereicht; es liegt nur eine solche für das Jahr 2002 vor. Nach dem dort ausgewiesenen Gewinn verfügte der Antragsgegner über ein monatsdurchschnittliches Bruttoeinkommen von 3.470,06 EUR, was im Gegensatz zu seiner Erklärung gem. § 117 Abs. 2 ZPO vom 11.10.2004 steht, wonach er monatlich brutto nur 2.158,25 EUR verdient haben will.

Der Umstand, dass der Antragsgegner in einem in Ablichtung überreichten Kreditvertrag aus April 2004 sein monatliches Nettoeinkommen mit 6.000 EUR angegeben hat, spricht dafür, dass sein Verdienst ggü. dem im Jahr 2002 sogar noch erheblich gestiegen ist.

Dem Antragsgegner wird Gelegenheit zu geben sein, zu seinem tatsächlichen Einkommen in 2004 unter Vorlage aussagekräftiger Belege (Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2003, vorläufige Gewinnermittlung in 2004, Kontoauszüge aus 2004) vorzutragen.

Der Senat hält es zur Wahrung des Instanzenzuges für angemessen, die Sache an das FamG zurückzuverweisen, weil bislang eine Ermittlung des Einkommens in erster Instanz nicht erfolgt ist und die Entscheidung auf einer nicht tragfähigen Begründung beruht.

4. Das FamG hat bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens Folgendes zu berücksichtigen:

a) Bei dem Einkommen Selbständiger ist grundsätzlich von dem festgestellten Gewinn und nicht von den Privatentnahmen - denen im Übrigen die Privateinlagen gegenüberzustellen sind - auszugehen (Wendl/Staudigl-Kemper, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1 Rz. 287 ff.).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist das Kindergeld voll als Einkommen einzusetzen, a...

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