Leitsatz (amtlich)

Wird die Verfahrenskostenhilfebewilligung deswegen aufgehoben, weil der Beteiligte erstinstanzlich eine Erklärung nicht abgegeben oder Belege nicht vorgelegt hat, und reicht der Beteiligte nach Aufhebung der Bewilligung die versäumte Erklärung oder fehlende Belege nach, so sind diese im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen; auf eine hinreichende Entschuldigung kommt es nicht an.

 

Normenkette

ZPO § 120 Abs. 4, § 124 Nr. 2; ZPO a.F. § 124 Nr. 2 Alt. 2

 

Verfahrensgang

AG Gladbeck (Beschluss vom 03.01.2014; Aktenzeichen 32 F 222/11)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der am 3.1.2014 erlassene Beschluss des AG - Familiengericht - Gladbeck aufgehoben.

 

Gründe

I. Durch Beschluss des AG - Familiengericht - Gladbeck vom 26.9.2011 wurde der Antragstellerin ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Verkamp bewilligt.

Mit an die Antragstellerin und ihren Verfahrensbevollmächtigten gerichteter Verfügung vom 9.10.2013 forderte der Rechtspfleger des AG Gladbeck die Antragstellerin unter Beifügung des Vordruckes ZP 1a auf, sich "der Einfachheit halber" unter Verwendung des Vordruckes zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen binnen der Wochen zu erklären, da eine Prüfung nach § 120 Abs. 4 ZPO zu erfolgen habe. Da die Antragstellerin untätig blieb, hat der Rechtspfleger mit weiterer Verfügung vom 5.12.2013 - an die Antragstellerin zugestellt am 10.12.2013 und an ihren Verfahrensbevollmächtigen gerichtet - unter Verweis auf die bereits erfolgte Fristsetzung zur Erledigung der Verfügung vom 9.10.2013 binnen fünf Tagen aufgefordert.

Nachdem die Antragstellerin weiterhin untätig geblieben ist, hat das AG mit am 3.1.2014 erlassenen Beschluss die bewilligte Verfahrenskostenhilfe mit der Begründung aufgehoben, dass die Antragstellerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin und der Antragstellerin jeweils am 7.1.2014 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 4.2.2014 beim AG eingegangenen Beschwerde. Sie rügt unter Einreichung der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechender Unterlagen, dass sie nach wie vor nicht in der Lage sei, die Verfahrenskosten zu tragen.

Das AG hat mit am 11.2.2014 erlassenen Beschluss der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit der Begründung zur Entscheidung vorgelegt, dass aufgrund des Sanktionscharakters des § 124 Nr. 2 ZPO a.F. die verspätete Einreichung der Unterlagen eine Abhilfe deswegen nicht erforderlich gemacht habe, weil nicht vorgetragen sei, aus welchem Grunde die verspätete Einreichung erfolgt sei.

II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.

1. Nach § 120 Abs. 4 ZPO a.F. i.V.m. § 40 EGZPO kann das Gericht, wenn - wie hier der Antragstellerin in dem zugrunde liegenden Verfahren - Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Entscheidung oder sonstiger Beendigung des Verfahrens die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Bewilligung maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben, worüber sich der Bedürftige nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a.F. auf Verlangen des Gerichts zu erklären hat. Nach § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO a.F. kann das Gericht die Bewilligung aufheben, wenn eine Erklärung nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO a.F. nicht abgegeben wird.

a) Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin - wie vom AG ursprünglich gefordert - eine neue Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einreichen musste (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.7.2007 - 10 WF 187/07, MDR 2007, 1391 = FamRZ 2008, 72; OLG Naumburg, Beschl. v. 2.4.2002 - 8 WF 73/02 - JMBl LSA 2002, 301). Denn das AG hat klargemacht, dass keine Verpflichtung, den Vordruck auszufüllen, besteht, da es darauf abgestellt hat, dass "der Einfachheit halber" der Vordruck nebst Belegen einzureichen sei.

b) Die entsprechende Erklärung und die entsprechenden Unterlagen hat die Antragstellerin indes nach Beschlusserlass eingereicht.

Bringt der Beteiligte aber nach Aufhebung der Bewilligung die versäumte Erklärung oder fehlende Belege nach, so sind diese im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen, da gem. § 571 Abs. 2 ZPO die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann (vgl. BAG, Beschl. v. 18.11.2003 - 5 AZB 46/03, MDR 2004, 597; OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 24.4.2008 - 4 WF 24/08 (PKH) - zitiert nach juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.1.2008 - 9 WF 353/07 (PKH) - FamRZ 2008, 1356; OLG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. v. 19.6.2003 - 2 WF 97/03, FamRZ 2004, 36; OLG Koblenz, Beschl. v. 5.10.2000 - 10 W 599/00, FamRZ 2001, 635; OLG Koblenz, Beschl. v. 19.3.1999 - 1 W 167/99, FamRZ 1999, 1354; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.1998 - 3 WF 205/98, FamRZ 1999, 1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge