Leitsatz (amtlich)
Auch im vereinfachten Verfahren gem. den §§ 249 ff. FamFG kann ein Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts gem. § 78 Abs. 2 FamFG bestehen.
Normenkette
FamFG § 78 Abs. 2, § § 249 ff.
Verfahrensgang
AG Witten (Beschluss vom 30.03.2011; Aktenzeichen 22 FH 15/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Witten vom 30.3.2011 teilweise abgeändert.
Dem Antragsgegner wird zu den Bedingungen der bisherigen Verfahrenskostenhilfebewilligung Rechtsanwalt O aus X beigeordnet.
Gründe
Der Antragsgegner wurde im Wege des vereinfachten Verfahrens gem. den §§ 249 ff. FamFG auf Unterhaltszahlung in Anspruch genommen. Durch den angefochtenen Beschluss wurde ihm Verfahrenskostenhilfe bewilligt, allerdings unter Zurückweisung seines Antrags auf Beiordnung eines Rechtsanwalts. Das AG hat dabei darauf abgestellt, dass es zur Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse keines Anwaltes bedürfe, so dass die Voraussetzungen des § 78 Abs. 2 FamFG nicht vorliegen würden. Auch hätte der Antragsgegner die Rechtsantragsstelle in Anspruch nehmen können.
Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Beiordnung eines Rechtsanwalts richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners. Von einem einfachen, nicht rechtskundigen Bürger ausländischer Herkunft mit limitierten Sprachkenntnissen sei nicht zu erwarten, dass er sich in einem Unterhaltsverfahren selbst vertreten könne, zumal die Erklärungen zwingend formularmäßig abzugeben seien.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO.
Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG wird dem Beteiligten dann, wenn - wie im vorliegenden Verfahren - eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben ist, auf seinen Antrag ein Rechtsanwalt beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, ist im Wege einer konkreten, an den objektiven wie subjektiven Gegebenheiten des konkreten Falls orientierten Notwendigkeitsprüfung festzustellen. Hierbei ist von entscheidender Bedeutung, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte, wobei auch auf die subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten abzustellen ist (BGH, Beschl. v. 23.6.2010 - XII ZB 232/09, FamRZ 2010, 1427 = NJW 2010, 3029).
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Kriterien ist hier dem Beiordnungsantrag des Antragsgegners zu entsprechen. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen Bürger ausländischer Herkunft, der nach den Angaben seines Bevollmächtigten nur über limitierte Sprachkenntnisse verfügt. Gerade für einen Betroffenen mit diesen subjektiven Voraussetzungen kann das korrekte Ausfüllen des Formulars für Einwendungen (vgl. § 259 FamFG), das häufig als unübersichtlich und sprachlich anspruchsvoll empfunden wird, mit größeren Schwierigkeiten verbunden sein. Wie dem Senat aus seiner Praxis bekannt ist, haben selbst Muttersprachler häufig Probleme, die Einwendungen in korrekter Form zu erheben. Ein fehlerhaftes Ausfüllen des Formulars hat sodann regelmäßig zur Folge, dass der Betroffene mit seinen Einwendungen im vereinfachten Verfahren ausgeschlossen ist. Er hat dann gem. § 240 FamFG ein Abänderungsverfahren anzustrengen, um dort seine Leistungsunfähigkeit geltend zu machen, wodurch höhere Kosten verursacht werden. Es ist daher davon auszugehen, dass der Antragsgegner auch für den Fall, dass er bemittelt wäre, vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte. Hierfür spricht i. Ü. auch, dass es auf S. 1 des Formulars für Einwendungen unter "G" u.a. heißt: "... Bei der Abgabe der Erklärung sollten Sie sich unbedingt rechtlich beraten lassen." Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass jedenfalls in bestimmten - hier gegebenen - Konstellationen die Hinzuziehung anwaltlicher Hilfe - offenbar aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage - empfohlen wird. Es liegt daher nahe, dem Beteiligten, der dieser Empfehlung folgt, einen Rechtsanwalt beizuordnen.
Schließlich kann der Antragsgegner auch nicht auf die Inanspruchnahme der Rechtsantragsstelle verwiesen werden. Der im vereinfachten Verfahren in Anspruch Genommene benötigt nicht nur praktische Hilfe beim Ausfüllen eines Formulars. Vielmehr sieht er sich einem unterhaltsrechtlichen Zahlungsanspruch ausgesetzt und es geht für ihn um die Frage, wie er dieser Inanspruchnahme begegnen soll. Dies bedarf gegebenenfalls einer umfassenden rechtlichen Beratung, die nur durch einen Rechtsanwalt, nicht aber durch die Rechtsantragsstelle gewährleistet werden kann (in diesem Sinne auch OLG Oldenburg, Beschl. v. 14.12.2010 - 13 WF 154/10, NJW-RR 2011, 586).
Fundstellen
Haufe-Index 2714423 |
MDR 2011, 1181 |