Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 255/21) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
1. Das Landgericht hat der Klage zu Recht im ausgeurteilten Umfang stattgegeben. Die Berufungsangriffe aus der Berufungsbegründung der Beklagten vom 03.03.2022 (Bl. 61 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II und für die erste Instanz eGA-I) greifen nicht durch.
a) Zu Recht hat das Landgericht die Unwirksamkeit der Anpassungen zum 01.04.2015 und zum 01.04.2018 festgestellt, wobei es diese Feststellung ebenfalls zutreffend jeweils bis zum 28.02.2021 (Tarif VS1) bzw. bis zum 31.12.2020 (gesetzlicher Zuschlag) befristet hat.
aa) Allerdings ergibt sich diese Unwirksamkeit nicht aus materiellen Gründen.
Die Rüge des Klägers, die vorgenannten Anpassungen seien schon deshalb - materiell - unwirksam, weil der auslösende Faktor jeweils unterhalb von 10 % lag und die Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK unwirksam sei, greift nicht durch. Der Senat verweist hierzu auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 22.06.2022 in der Sache IV ZR 253/20 (juris). Der Senat schließt sich den dortigen Erwägungen an, wonach zwar § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam sei, dies die Wirksamkeit der Regelung in § 8 Abs. 1 MB/KK aber unberührt lasse. Diese Erwägungen lassen sich auf die im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung in § 18 Abs. 1 und 2 der hier vereinbarten AVB übertragen.
bb) Beide vorgenannten Anpassungen genügten aber in formeller Hinsicht nicht den sich aus dem Gesetz ergebenden Anforderungen.
(1) Rechtlich gilt insoweit:
Das in § 203 Abs. 5 VVG normierte Begründungserfordernis hat den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat. Das wird durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat, erreicht. Dagegen ist es für diesen Zweck nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 und BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19, VersR 2021, 240.
Es muss auch nicht mitgeteilt werden, dass überhaupt ein konkreter Schwellenwert überschritten sein muss. Angaben etwa in der Art, dass die Anpassung bei einer "deutlichen Abweichung" erfolgen müsse, sind ausreichend. Wie der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen ausgeführt hat, ergibt sich insbesondere auch aus der Gesetzgebungsgeschichte, dass das Begründungserfordernis in § 203 Abs. 5 VVG den Zweck hat, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, ob eine Veränderung bei den kalkulierten Leistungsausgaben oder bei den Sterbewahrscheinlichkeiten zu der Anpassung geführt hat. Denn unter Geltung der Vorgängerregelung des § 178g Abs. 4 VVG a.F. war nur eine Benachrichtigung vorgesehen, weil seinerzeit nur eine Veränderung bei den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Prämienanpassung auslösen konnte. Erst das Hinzutreten der Sterbewahrscheinlichkeiten als zweite Rechnungsgrundlage war für den Gesetzgeber Veranlassung, in § 203 Abs. 5 VVG das Begründungserfordernis zu normieren.
(2) Danach gilt hier:
(a) Die Anpassung zum 01.04.2015 wurde unzureichend begründet.
Hinsichtlich inhaltlich übereinstimmender Begründungen zu Anpassungen zum 01.04.2014 und 01.04.2016 hat der Senat dies bereits entschieden (Senat, Hinweisbeschluss vom 02.12.2021 - 20 U 243/21, n.v.; ferner Senat, Urteil vom 17.05.2022 - 20 U 258/21, n.v.). Dort ist ausgeführt:
In den insoweit maßgeblichen Begründungen der Beklagten heißt es jeweils, dass der "wichtigste" bzw. der "wesentliche" Grund für die Beitragsanpassung in gestiegenen Gesundheitskosten bestehe. Schon das spricht aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers dafür, dass es neben diesem "wichtigsten" oder "wesentlichen" Grund auch zumindest einen weiteren Grund gibt. Auch der jeweilige Beileger verdeutlicht dem Versicherungsnehmer - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht hinreichend, welche Rechnungsgrundlage die Prämienanpassung ausgelöst hat.
So verhält es sich auch hier. Insbesondere heißt es in dem der Begründung angefügten Beiblatt (eGA-I 207):
Wenn die tatsächlichen Leistungen aber mehr als 10 % von den kalkulierten abweichen, muss der Versicherer die Beiträge anpassen. Das gilt auch, wenn die ...