Entscheidungsstichwort (Thema)
Rotlichtverstoß. Gefährdung. Dauer. Rechtsfolge
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes genügt die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines den Rotlichtverstoß zufällig beobachtenden (ggf. in der Verkehrsüberwachung erfahrenen) Polizeibeamten alleine nicht, um zuverlässig entscheiden zu können, ob nur ein einfacher oder ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt. Soll durch Zeugenbeweis - ohne technische Hilfsmittel - ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist eine kritische Würdigung des Beweiswertes der Aussagen geboten.
2. Ob wegen der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nach Ziff. 132.3.1. BKatV (Dauer länger als eine Sekunde; Gefährdung) ein Fahrverbot und eine höhere Geldbuße zu verhängen sind, ist eine Frage die den Rechtsfolgenausspruch betrifft.
Normenkette
StVO §§ 37, 49 Abs. 3 Nr. 2; BKatV Nr. 132.3
Verfahrensgang
AG Paderborn (Aktenzeichen 73 OWi 152/17) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Feststellungen dazu, dass überhaupt ein Rotlichtverstoß stattgefunden hat, bleiben aber aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Paderborn zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens und Gefährdung Anderer - die Rotphase dauerte bereits länger als 1 Sekunde -" zu einer Geldbuße von 320 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot unter Gewährung der sog. "Viermonatsfrist" angeordnet. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil missachtete der Betroffene als Fahrer seines PKW am 02.02.2017 ein für ihn geltendes Rotlicht an einer Kreuzung in Paderborn, weswegen ein aus dem Querverkehr in die Kreuzung einfahrendes Polizeifahrzeug "nur durch ein umsichtiges Ausweichfahrmanöver den Zusammenstoß mit dem Betroffenen und seinem PKW" habe vermeiden können. Die Rotphase habe bereits drei bis fünf Sekunden angedauert.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der eine Verletzung materiellen Rechts rügt. In erster Linie greift er die Verhängung des Fahrverbots an.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat teilweise Erfolg. Sie führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache (§ 79 Abs. 6 OWiG). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet i.S.v. §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO.
1.
Der Schuldspruch selbst, also soweit festgestellt wurde, dass der Betroffene überhaupt einen Rotlichtverstoß nach §§ 37, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO, 24 StVG begangen hat, weist keine Rechtsfehler zu seinen Lasten auf.
2.
Im Rechtsfolgenausspruch, also soweit die Höhe der Geldbuße und die Anordnung des Fahrverbots mit der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nach Ziff. 132.3.1. BKatV (Dauer länger als eine Sekunde; Gefährdung) begründet wird, weist das angefochtene Urteil hingegen durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.
Schon die Voraussetzung für die Ahndung des Rotlichtverstoßes mit einem Fahrverbot wegen Missachtung einer schon länger als eine Sekunde andauernden Rotphase (BKatV Ziff. 132.3) ist nicht hinreichend in der Beweiswürdigung belegt.
Die Beweiswürdigung ist hier insoweit lückenhaft. Zwar trägt sie noch soweit, dass die Rotlichtphase für den Betroffenen jedenfalls mindestens seit dem Zeitpunkt andauerte, seit dem das Lichtzeichen für das Polizeifahrzeug Grünlicht zeigte. Soweit dann in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, dass dieses erst "3-5 Sekunden" später losgefahren (und in den Kreuzungsbereich eingefahren) bleibt schon unklar, wo sich das Fahrzeug des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt befand. Insoweit ist grds. maßgeblich, wann eine etwa vorhandene Haltelinie - zu der sich das Urteil allerdings nicht verhält - überfahren wird (vgl. OLG Dresden ZfS 2017, 234; OLG Köln, Beschl. v. 08.02.2000 - Ss 51/00 B - [...]). Insbesondere ist aber die Dauer der Rotlichtphase von "3-5 Sekunden" nicht hinreichend belegt. Für die Feststellung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes genügt die bloße gefühlsmäßige Schätzung eines den Rotlichtverstoß zufällig beobachtenden (ggf. in der Verkehrsüberwachung erfahrenen) Polizeibeamten alleine nicht, um zuverlässig entscheiden zu können, ob nur ein einfacher oder ein qualifizierter Rotlichtverstoß vorliegt (OLG Jena, Beschl. v. 10.12.1998- 1 Ss 219/98 -[...]; OLG Düsseldorf, NZV 1995, 197 LS). Soll durch Zeugenbeweis - ohne technische Hilfsmittel - ein qualifizierter Rotlichtverstoß bewiesen werden, so ist eine kritische Würdigung des Beweiswertes der Aussagen geboten (OLG Köln, Beschl. v. 20.03.2012 - III-1 RBs 65/12 -[...]). Die Anforderungen können hier nicht ni...