Leitsatz (amtlich)
Die sozialhilferechtliche Regelung des § 94 Abs. 1a SGB XII ist nicht geeignet, beim zivilrechtlichen Elternunterhalt systemwidrig auf eine Pauschale abzustellen und individuelle Verhältnisse außer Betracht zu lassen.
Es ist geboten, aber auch ausreichend, in 2020 den Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Kindes auf monatlich 2.600 EUR und des Schwiegerkindes auf monatlich 2.080 EUR festzusetzen. Dieser Sockelbetrag ist - unter Berücksichtigung von 10% Haushaltsersparnis aufgrund Zusammenlebens - um die Hälfte des den Sockelbetrag übersteigenden Familieneinkommens zu erhöhen.
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Gelsenkirchen (Aktenzeichen 108 F 72/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 07.12.2023 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - F. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin Unterhalt für Frau Y. T. für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 i.H.v. 6.232,74 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 441,96 EUR seit dem 01.01.2020, weiteren 545,96 EUR seit dem 01.02.2020, weiteren 547,24 EUR seit dem 01.03.2020, weiteren 547,24 EUR seit dem 01.04.2020, weiteren 547,24 EUR seit dem 01.05.2020, weiteren 547,24 EUR seit dem 01.06.2020, weiteren 507,86 EUR seit dem 01.07.2020, weiteren 513,32 EUR seit dem 01.08.2020, weiteren 513,32 EUR seit dem 01.09.2020, weiteren 507,12 EUR seit dem 01.10.2020, weiteren 507,12 EUR seit dem 01.11.2020 und weiteren 507,12 EUR seit dem 01.12.2020 zu zahlen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz.
Die Entscheidung ist sofort wirksam.
Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 7.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens sind die auf die antragstellende Stadt F. übergegangenen Unterhaltsansprüche der Mutter des Antragsgegners für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020. Die Mutter des Antragsgegners lebt in einer Seniorenresidenz in F. und erhält von der Antragstellerin seit dem 19.07.2017 Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII. In 2020 gewährte die Antragstellerin Hilfen i.H.v. insgesamt 6.972,14 EUR, und zwar im Januar i.H.v. 495,08 EUR, im Februar i.H.v. 611,58 EUR, in den Monaten März bis Juni i.H.v. jeweils 613,02 EUR und in den Monaten Juli bis Dezember i.H.v. jeweils 568,90 EUR. Mit Schreiben vom 04.09.2017 zeigte die Antragstellerin dem Antragsgegner die Leistungsgewährung an.
Der Antragsgegner verfügte im Jahr 2020 über ein Jahresbruttoeinkommen von 117.917,36 EUR, das einem Nettoeinkommen von monatlich 5.804,63 EUR, mithin insgesamt 69.655,56 EUR, entsprach. Seine Ehefrau erzielte im Jahr 2020 ein Erwerbseinkommen i.H.v. brutto 114.879,81 EUR, das einem Nettoeinkommen von monatlich 5.512,08 EUR, mithin insgesamt 66.144,96 EUR, entsprach. Es ist eine Steuererstattung zu berücksichtigen, von der im Jahr 2020 anteilig auf den Antragsgegner 2.804,29 EUR und auf seine Ehefrau 2.662,96 EUR entfielen. An berufsbedingten Aufwendungen sind bei dem Antragsgegner monatlich 499,87 EUR und bei seiner Ehefrau 231,60 EUR zu berücksichtigen. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlte der Antragsgegner i.H.v. 438,28 EUR und seine Ehefrau i.H.v. 338,06 EUR monatlich. Für Altersvorsorge zahlte der Antragsgegner monatlich 1.076,61 EUR und seine Ehefrau monatlich 1.000 EUR. Der Antragsgegner zahlt einen Kredit i.H.v. monatlich 366,76 EUR ab. Zu berücksichtigen sind ferner von dem Antragsgegner gezahlte Leasingraten für einen Pkw, die sich in den Monaten Januar bis Juli 2020 auf jeweils 293 EUR und ab Oktober 2020 auf je 322,16 EUR belaufen, in den Monaten August und September 2020 fiel die Leasingrate weg.
Die Eheleute haben eine volljährige, am 00.00.0000 geborene Tochter, die im Jahr 2020 in ihrem Haushalt - einem lastenfreien Einfamilienhaus in F. mit einer Wohnfläche von 110 m2 - lebte und der sie zum Unterhalt verpflichtet waren.
Der Antragsgegner hat zwei Geschwister, die nicht zu Unterhaltszahlungen für die Mutter in Anspruch genommen werden. Die Schwester des Antragsgegners ist nicht leistungsfähig. Der Bruder des Antragsgegners erzielte im Jahr 2020 ein monatliches Nettoeinkommen von 2.710,43 EUR, dem eine Steuererstattung von anteilig 143,75 EUR monatlich zuzurechnen war. Seine Ehefrau erhielt eine monatliche Pension i.H.v. 1.796,71 EUR zzgl. einer anteiligen Steuererstattung i.H.v. 95,83 EUR monatlich. Abzuziehen sind bei dem Bruder des Antragsgegners berufsbedingte Aufwendungen i.H.v. monatlich 170,75 EUR, zwei Kredite mit 285 EUR und 112 EUR monatlich und Aufwendungen für Besuchsfahrten zum Heim i.H.v. 18,06 EUR monatlich. Bei seiner Ehefrau sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit 192,49 EUR und 13,06 EUR monatlich zu berücksichtigen. Der Bruder des Antragsgegners wird von der Antragstellerin im Jahr 2020 bei einem bereinigten Einkommen von 2.268,37 EUR unter Berücksichtigung eines für ihn und seine Ehefr...