Entscheidungsstichwort (Thema)
Urkunde. Verlesung. Hauptverhandlung. Inbegriff. Rüge. Anforderungen. Begründung. Verfahrensrüge. Rechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Soll mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden, dass das Urteil u.a. auch auf einer Urkunde beruht, die in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden ist, gehört zum i.S. des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ordnungsgemäßen Vortrag, dass nicht nur vorgetragen wird, dass die Urkunde in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden ist, sondern auch, dass die Urkunde auch sonst nicht, insbesondere nicht durch Vorhalt, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden ist.
Normenkette
StPO § 261
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels - an das Amtsgericht Lübbecke zurückverwiesen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 16,11.2009 Folgendes ausgeführt
"Das Amtsgericht Lübbecke hat den Betroffenen mit Urteil vorn 04.09.2009 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 77 km/h (außerorts) zu einer Geldbuße von 750,00 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt (BI. 138 ff d.A.). Gegen dieses in Anwesenheit des Betroffenen verkündete,. ihm am 15.09.2009 (BI, 143, 143 R d.A.) zugestellte Urteil hat der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 11.09.2009, eingegangen beim Amtsgericht Lübbecke am selben Tag (BI. 137 d.A.), Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit weiterem am 12.10.2009 beim Amtsgericht Lübbecke eingegangenen Schriftsatz seines Verteidigers vom 10.10.2009 (BI. 146 ff d.A.) mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen. Rechts begründet.
Die gemäß § .79 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWG statthafte Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und form- und fristgerecht begründet worden. Ihr dürfte auch ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen sein.
Das Urteil unterliegt bereits aufgrund der Rüge der Verletzung des § 261 StPO der Aufhebung; soweit der Betroffene geltend macht, der Eichschein für das- verwendeten Messgerät sei weder durch Verlesung noch auf andere Weise prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden, gleichwohl habe die Tatrichterin die Verurteilung u.a. auf die sich daraus ergebenden Erkenntnisse gestützt.
Diese in Form der Verfahrensrüge geltend zu machende Rechtsverletzung ist in der gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1, 344 Abs. 2 StPO erforderlichen Form erhoben worden. Danach müssen, um die Zulässigkeit der Rüge zu begründen, die den Mangel enthaltenen Tatsachen so genau bezeichnet und vollständig angegeben werden, dass das Beschwerdegericht schon anhand der Rechtsbeschwerdeschrift ohne Rückgriff auf die Akte prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, falls die behaupteten Tatsachen zutreffen (zu vgl. Göhler, OWiG, 15. Auflg., § 79 Rdn. 27 d).
In Erfüllung dieser Voraussetzungen gehört zur ordnungsgemäßen Begründung auch der Vortrag, dass der Inhalt der Urkunde auch nicht anderweitig, insbesondere durch Vorhalt oder durch Vernehmung eines Zeugen, in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist (zu vgl. Senatsbeschluss vom 20.09.2007, StRR 2007, 323 und vom 22.04.2008, VRR 2008, 243).
Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Rechtsbeschwerde. Der Betroffene hat unter Zitierung des insoweit relevanten Wortlautes des Hauptverhandlungsprotokolls dargelegt, dass der Eichschein nicht durch Verlesung gemäß § 256 Abs. 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist und- erklärt, er sei auch darüber hinaus weder durch Inaugenscheinnahme, noch durch Vorhalt des Inhalts oder durch Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts gemäß § 78 OWiG und auch nicht in anderer Weise prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Schließlich sei der Eichschein auch nicht im: Wege des Vorhalts durch den als Zeugen vernommenen Messbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Dieser habe lediglich Angaben zur Aufstellung und Ausrichtung des Gerätes gemacht.
Die Rüge ist auch in der Sache begründet, denn das Amtsgericht Lübbecke hat sich bei der Urteilsfindung auf ein Schriftstück gestützt, welches nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist. Die Sitzungsniederschrift enthält keinerlei Angaben zu einer Einführung des Eichscheins in die Hauptverhandlung. Bei der Verlesung einer Urkunde handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung, so dass der Nachweis hierüber nur durch das Protokoll geführt werden kann. Schweigt das Hauptverhandlungsprotokoll über die Verlesung, so gilt diese als nicht erfolgt (zu vgl. Senatsbeschluss vorn 22.04.2008 a.a.O.). Anhaltspunkte für eine Einführung des Inhalts des Eichscheins auf andere Art und Weise fehlen und ergeben sich insbesondere nicht aus der Sitzungsniederschrift.
Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Verfahrensfehler. Denn das Amtsgericht hat den Eichschein zum Beweis dafür im Urteil verwe...