Leitsatz (amtlich)
Der Rücknahme eines Erbvertrages aus der amtlichen Verwahrung steht nicht entgegen, dass die darin enthaltene Zuwendung an einen Minderjährigen mit der Bestimmung verknüpft ist, dass die elterliche Vermögenssorge in Ansehung des Zuwendungsgegenstandes nur von dem Kindesvater soll ausgeübt werden können.
Normenkette
BGB § 1638 Abs. 1, § 2300 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
AG Siegen (Beschluss vom 17.09.2014; Aktenzeichen 31 IV 618/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Das AG wird angewiesen, einen Termin zur Rückgabe des o.a. Erbvertrages zu bestimmen.
Gründe
I.) Die Beteiligten haben am 9.3.2010 in der o.a. Urkunde einen Erbvertrag geschlossen. In diesem hat der Beteiligte zu 2) in vertragsmäßiger Form dem Sohn des Beteiligten zu 1) ein Vermächtnis zugewandt. Für den Fall, dass der Vermächtnisnehmer beim Eintritt des Erbfalls noch minderjährig sein sollte, hat der Beteiligte zu 2) die elterliche Vermögenssorge bei der Verwaltung des Vermächtnisgegenstandes dahingehend beschränkt, dass diese allein bei dem Vater, dem Beteiligten zu 1) liegen sollte. Der Erbvertrag ist durch den Notar auftragsgemäß in amtliche Verwahrung des Nachlassgerichts gegeben worden.
Im August 2014 sind die Beteiligten beim Nachlassgericht erschienen und haben um Rückgabe des Erbvertrages aus der amtlichen Verwahrung gebeten. Diesem Antrag hat die zuständige Rechtspflegerin nicht entsprochen, da sie die Anordnung hinsichtlich der Beschränkung der elterlichen Sorge als Rechtsgeschäft unter Lebenden bewertet hat. Die Beteiligten haben daraufhin gebeten, den Erbvertrag einstweilen wieder in die Verwahrung zu nehmen. Anfang September haben sie sich durch ein gemeinsames Schreiben an das Nachlassgericht gewandt und nochmals um die Herausgabe des Erbvertrages gebeten, wobei sie um rechtsmittelfähige Bescheidung baten. Das Nachlassgericht hat dieses Schreiben als Antrag auf einen neuen Termin zwecks Rückgabe des Erbvertrages ausgelegt und diesen mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen.
II.) Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Es ist im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden, dass das AG auf der Grundlage des § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB den Inhalt des Erbvertrages näher auf das Vorliegen lebzeitiger Rechtsgeschäfte geprüft und die Anordnung betr. die elterliche Vermögenssorge insoweit als bedenklich angesehen hat. Denn die Rücknahme eines Erbvertrages aus der amtlichen Verwahrung ist für die Vertragsbeteiligten mit Rücksicht auf die Möglichkeit versteckter oder gar konkludenter, lebzeitiger Rechtsgeschäfte in der Urkunde, die den Beteiligten in ihrer Bedeutung oft nicht präsent sein werden, mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden. Enthält nämlich die Urkunde auch ein solches Rechtsgeschäft, so bleibt die Rücknahme ohne Wirkung, d.h., dass der Erbvertrag dann, entgegen den Erwartungen der Beteiligten, wirksam bleibt.
Auch ist die Anordnung nach § 1638 BGB hinsichtlich der Einordnung als letztwillige Verfügung nicht unproblematisch. Hinsichtlich § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB ist nämlich nicht eindeutig, welche Vorstellung der Gesetzgeber mit dieser Einschränkung verbunden hat. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 14/9266 S. 49) schweigt sich hierzu aus. Klar ist insoweit nur, dass der Begriff der letztwilligen Verfügung hier im Sinne der einzelnen Anordnung und nicht, wie bei § 1638 Abs. 1 BGB, im Sinne der äußeren Form (vgl. hierzu auch § 1937 BGB) verwandt wird. Abzustellen ist danach auf den Inhalt des jeweiligen Rechtsgeschäfts. Inhaltlich lässt eine letztwillige Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB aber ebenfalls nicht eindeutig zuordnen. Auf der einen Seite kann sie nur bezogen auf den durch die erbrechtliche Verfügung bedingten Rechtsübergang Bedeutung erlangen, andererseits regelt sie nicht diesen, sondern allein die danach geltende familienrechtliche Situation.
Der Senat wertet die für den Fall des erbrechtlichen Rechtserwerbs getroffene Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB gleichwohl als letztwillige Verfügung i.S.d. § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB (ebenso Litzenburger in BeckOK/BGB, § 2300 Rz. 3). Maßgebend für den Senat ist dabei die enge, sachliche Verknüpfung der geregelten Rechtsfolgen mit der konkreten erbrechtlichen Regelung. Denn völlig unabhängig von subjektiven Zielsetzungen der Beteiligten oder gar entsprechenden Absprachen kann eine solche Anordnung nur dann zum Tragen kommen, wenn auch die letztwillige Zuwendung Bestand hat. Welchen Zweck man der Beschränkung des § 2300 Abs. 2 S. 1 BGB auf letztwillige Verfügungen auch immer beilegen mag, macht doch die Unterscheidung zwischen der letztwilligen Zuwendung und der Anordnung nach § 1638 Abs. 1 BGB keinen Sinn, da Letztere mit der Zuwendung steht und fällt. Im Übrigen vermeidet ein solches Verständnis Verwerfungen mit der überkommenen Auslegung des § 1638 Abs. 1 BGB, nach der sich auch die Aufhebung der die Anordnung enthaltenden Verfügung nach den allgemeinen erbrechtlichen Regeln richtet (vgl. Staudinger/Engler, BGB, 2009, § 1638 Rz. 9 unter Hinweis auf Mot IV 170).
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