Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite des insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots
Leitsatz (amtlich)
1) Neugläubiger des Schuldners sind nicht gehindert, in das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zu vollstrecken.
2) Für den Nachweis dieser Voraussetzungen können dem Gläubiger bei seinem Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek Beweiserleichterungen zugestanden werden, insbesondere wenn aufgrund der Löschung des Insolvenzvermerks im Grundbuch die Annahme nahe liegt, dass der Insolvenzverwalter das betroffene Wohnungseigentum aus der Masse freigegeben hat.
Normenkette
InsO § 89; GBO § 29; ZPO § 867
Verfahrensgang
AG Kamen (Beschluss vom 15.11.2010; Aktenzeichen KA-10424-38) |
Tenor
Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird das Grundbuchamt angewiesen, für die Beteiligte (Autohaus T GmbH & Co. KG) an rangbereiter Stelle folgende Zwangssicherungshypotheken einzutragen, wobei die genaue Fassung der Eintragungen dem Grundbuchamt vorbehalten bleibt:
- Im Wohnungsgrundbuch von Kamen Blatt ......:
3.750 EUR Zwangssicherungshypothek gem. Ziff. 1. des am 22.3.2010 vor dem LG Dortmund geschlossenen Vergleichs - 12 O 447/09;
- Im Wohnungsgrundbuch von Kamen Blatt ......3:
3.750 EUR Zwangssicherungshypothek gem. Ziff. 1. des am 22.3.2010 vor dem LG Dortmund geschlossenen Vergleichs - 12 O 447/09;
- Im Wohnungsgrundbuch von Kamen Blatt ......2:
1.403,37 EUR Zwangssicherungshypothek mit Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 1.353,15 EUR seit dem 18.1.2011 gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Dortmund vom 2.8.2010 - 12 O 447/09 -.
Die weitergehende Beschwerde und der weitergehende Eintragungsantrag werden zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt im Umfang der Zurückweisung bis zu 1.000 EUR.
Gründe
Die nach den §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde, mit der die Beteiligte ihren Antrag auf Eintragung von Zwangssicherungshypotheken weiterverfolgt, hat überwiegend Erfolg.
Die Beteiligte hat im Beschwerdeverfahren mit Anwaltsschriftsatz vom 18.1.2011 ihren Eintragungsantrag korrigiert und - erstmals - eine den Anforderungen des § 867 Abs. 2 ZPO entsprechende Forderungsverteilung vorgenommen. Bei den in der ersten Instanz gestellten Anträgen fehlte es insoweit an der erforderlichen Angabe, aus welchem der Vollstreckungstitel (hier: Vergleich und Kostenfestsetzungsbeschluss) welcher Forderungsteil auf welchem Grundbesitz eingetragen werden soll (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 867 Rz. 15; Demharter, GBO, 27. Aufl., Anhang zu § 44 Rz. 65; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rz. 2194).
Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen und die grundbuchrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen liegen vor. Die einzelnen Forderungsteile betragen jeweils mehr als 750 EUR (§§ 867 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2, 866 Abs. 3 S. 1 ZPO).
Entgegen dem Antrag vom 18.1.2011 und der darin vorgenommenen Forderungsverteilung können die geltend gemachten Kosten für frühere Vollstreckungsmaßnahmen i.H.v. insgesamt 248,86 EUR aber nicht gem. § 788 Abs. 1 ZPO aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 2.8.2010 mit vollstreckt werden. Diese Kosten sind nämlich schon vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses durch eine frühere Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich entstanden. Dieser Betrag war daher von der aufgrund des Kostenfestsetzungsbeschlusses geltend gemachten Forderung abzusetzen.
Entgegen der Ansicht des Grundbuchamtes besteht im vorliegenden Fall für die Beteiligte kein Vollstreckungsverbot nach § 89 Abs. 1 InsO. Nach dieser Vorschrift sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger i.S.d. § 38 InsO während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Handelt es sich bei dem Gläubiger jedoch um einen Neugläubiger, d.h. um einen Gläubiger, dessen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden ist, ist zu differenzieren: Neugläubiger dürfen zwar nicht in die Insolvenzmasse vollstrecken, da diese für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger und Massegläubiger vorbehalten ist; sie haben aber sehr wohl das Recht, in das vom Insolvenzverfahren nicht erfasste insolvenzfreie Vermögen des Schuldner zu vollstrecken (OLG Celle, ZInsO 2003, 128; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Kuleisa, 3. Aufl., § 89 InsO Rz. 7; Graf-Schlicker/Breitenbücher, InsO, 2. Aufl., § 89 Rz. 1; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, Stand: Sept. 2010, § 89 Rz. 20; Kreft/Kayser, InsO, 5. Aufl., § 89 Rz. 14; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung/App, 5. Aufl., § 89 Rz. 5; Münchener Kommentar zur InsO/Breuer, 2. Aufl., § 89 Rz. 26; Hess, Insolvenzrecht, Band I, § 89 InsO Rz. 14; Jaeger, InsO, 1. Aufl., § 89 Rz. 25; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 89 Rz. 19).
Im vorliegenden Fall ist die Beteiligte nicht daran gehindert, in den hier betroffenen, in den Wohnungsgrundbüchern von Kamen Blatt ..., Blatt ... 2 und Blatt ... 3 eingetragenen Grundbesitz zu vollstrecken, da...