Leitsatz (amtlich)

Wird als Beschränkung der Verteidigung die Gewährung nur unvollständiger Akteneinsicht (§§ 147, 228 StPO) gerügt, so ist zur ausreichenden Begründung der Verfahrensrüge die konkret-kausale Beziehung zwischen diesem geltend gemachten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt darzutun.]

 

Verfahrensgang

AG Recklinghausen (Entscheidung vom 24.01.2005)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit gemäß §§ 41 Abs. 2, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 100,00 EUR festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt unter Beachtung des § 25 Abs. 4a StVG.

Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

"Die Betroffene ist von Beruf Rechtsanwältin.

Straßenverkehrsrechtlich ist sie bisher nicht in Erscheinung getreten.

Am 10.05.2004 um 22.10 Uhr war die Betroffene mit dem Pkw Skoda 1U mit dem polizeilichen Kennzeichen XXXX in Begleitung des Zeugen B. auf dem Heimweg von einer Tagung in Münster. Sie fuhr auf der Bundesautobahn A 43 in Fahrtrichtung Wuppertal. Dort fiel sie den Polizeibeamten PM G. und PK L., die mit dem Funkstreifenwagen MS-3673 unterwegs waren, wegen ihrer hohen Geschwindigkeit auf. Der Funkstreifenwagen verfügte über einen Tachometer, der letztmalig am 22.01.2004 justiert worden war. Aus einer entsprechenden Bescheinigung (Blatt 26 der Akte) ergibt sich, dass die Abweichung von der tatsächlichen Geschwindigkeit bei über 100 km/h plus/minus 3 km/h nicht überschreitet.

Die Betroffene fuhr über die gesamte Strecke, die die Polizeibeamten hinter ihr herfuhren, auf dem linken Fahrstreifen der zweispurig ausgebauten BAB 43. Als die Polizeibeamten einen gleichbleibenden Abstand von 50 Metern zu der Betroffenen hatten, haben sie zwischen KM 37,5 bis 36,5 eine Messung vorgenommen. In diesem Bereich besteht gemäß § 41 Abs. 2 (Z 274 mit dem Zusatz: Straßenschäden) StVO eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 80 km/h. Es ist gerichtsbekannt, dass eine Beschilderung bei Kilometer 40,730 - 120 km/h, bei Kilometer 40,200 - 100 km/h, bei Kilometer 39,950 - 80 km/h mit Zusatzzeichen 1006-34 und bei Kilometer 38,950 ein weiteres 80 km/h-Zeichen mit Zusatzzeichen 1006-34 besteht.

Der Polizeibeamte L. sah während des Messvorganges nicht nur die Rücklichter, sondern auch die Umrisse des Pkw's Skoda, sowohl durch die Beleuchtung seines Funkstreifenwagens als auch durch die Beleuchtung der im regelmäßigen Abstand auf dem rechten Fahrbahnstreifen fahrenden Fahrzeuge. Die Polizeibeamten lasen dabei von dem justierten Tachometer des Funkstreifenwagens eine Geschwindigkeit von 150 km/h ab. Die Entfernung zu dem vorausfahrenden Fahrzeug stellte der Zeuge L. anhand der Leitpfosten fest."

Das Amtsgericht hat zum Ausgleich von Ungenauigkeiten des Tachometers und sonstigen Messungenauigkeiten (z.B. durch Ablesefehler, Reifenabnutzung, zu geringer Reifendruck, Abstandsschwankungen und dergleichen) einen Abschlag in Höhe von 15 % vorgenommen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene unter näherer Darlegung die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt,

die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, kann in der Sache jedoch entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft keinen Erfolg haben.

1.

Die von der Betroffenen erhobene Verfahrensrüge der verweigerten Akteneinsicht ist nicht ausreichend i. S. v. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG begründet worden.

Die Betroffene macht mit der Verfahrensrüge die Verletzung rechtlichen Gehörs durch die Nichtgewährung von Akteneinsicht geltend. Dem liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:

Die Betroffene hat mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 26. Juni 2004 Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt und um Akteneinsicht gebeten, die ihr daraufhin unter dem 26. Juli 2004 gewährt worden ist. Ihr Verteidiger hat sodann mit Schriftsatz vom 29. Juli 2004 den Einspruch begründet und u.a. die Einholung einer dienstlichen Stellungnahme der Polizeibeamten beantragt, die die Messung vorgenommen hatten. Gleichzeitig wurde erneut um Akteneinsicht nachgesucht. Die Verwaltungsbehörde holte daraufhin eine dienstliche Äußerung des Polizeibeamten ein, übersandte diese dem Verteidiger verbunden mit der Anfrage, ob der Einspruch aufrecht erhalten bleibe. Die Akten wurden unter Hinweis darauf, diese hätten bereits vorgelegen, nicht nochmals übersandt. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2004 antwortete der Verteidiger, der Einspruch bleibe bestehen und beantragte erneut Akteneinsicht unter Hinweis auf § 69 Abs. 3 OWiG, dass die Verwaltungsbehörde unter den dort festgelegten Voraussetzungen einen Aktenvermerk anzufertigen habe, aus welchen Gründen sie den Bußgeldbescheid nic...

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