Verfahrensgang
AG Bielefeld (Aktenzeichen 36 OWi 202 Js 3183/14 - 739/14) |
Tenor
Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bielefeld zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Oberbürgermeister der Stadt C hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 23.04.2014 wegen (fahrlässiger) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 53 km/h eine Geldbuße von 480,- € verhängt sowie ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Im weiteren Verfahren nach Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid hat das Amtsgericht Termin zur Hauptverhandlung auf den 16.09.2014, 13.00 Uhr, anberaumt.
Mit Schreiben vom 11.09.2014 beantragte der Verteidiger, den anberaumten Termin zur Hauptverhandlung zu verlegen, und zwar wohl im Hinblick darauf, dass der Betroffene aufgrund einer Erkrankung verhindert sei, an dem anberaumten Termin teilzunehmen, als auch der Verteidiger selbst durch eine eigene Erkrankung. Für den Betroffenen legte er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, aus der dessen Arbeitsunfähigkeit bis voraussichtlich zum 22.09.2014 hervorgeht.
Für seine eigene Verhinderung legte der Verteidiger u.a. eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, die seine Arbeitsunfähigkeit vom 8. bis zum 15.09.2014 belegt.
Mit Schreiben vom 15.09.2014, das dem Verteidigerbüro am Nachmittag desselben Tages per Telefax gegen 15.08 Uhr zuging, teilte das Gericht mit, dass eine Terminsverlegung bislang nicht in Betracht komme, da der Betroffene nicht nachgewiesen habe, dass er reise- oder verhandlungsunfähig sei. Die eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reiche nicht aus. Auch die Verhinderung des Verteidigers sei nicht belegt, da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur bis zum 15.09.2014 ausgestellt sei.
Am 16.09.2014 übersandte das Verteidigerbüro um 09.43 Uhr per Telefax an das Amtsgericht die ärztliche Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Verteidiger vom selben Tage, die dessen Arbeitsunfähigkeit bis zum 22.09.2014 bescheinigt; zugleich wurde erneut die Verlegung des Termins beantragt. In diesem Schriftsatz wurde die Eilbedürftigkeit mit dem Vermerk "Eilt sehr! Bitte sofort vorlegen! Gerichtstermin am 16.09.2014 um 13.00 Uhr" markant hervorgehoben.
Im Termin zur Hauptverhandlung verwarf das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen mit folgender Begründung:
"Der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen im Termin nicht entbunden wurde, ist in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben.
Die von dem Betroffenen vorgetragenen Gründe sind keine genügende Entschuldigung, weil er nicht nachgewiesen hat, dass er verhandlungs- oder reiseunfähig ist. Die von ihm eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht dafür nicht aus.
Der anwaltlich vertretene Betroffene hat trotz des Hinweises, dass er weitere Nachweise erbringen muss, keine weiteren Unterlagen eingereicht.
Der Einspruch ist daher nach § 74 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verworfen worden."
Gegen dieses dem Verteidiger am 24.09.2014 zugestellte Urteil wendet sich der Betroffene durch seinen Verteidiger mit seiner am 01.10.2014 bei dem Amtsgericht Bielefeld eingelegten Rechtsbeschwerde, die mit weiterem Anwaltsschriftsatz vom 24.10.2014 unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist.
Den Antrag des Verurteilten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 10.12.2014 als unbegründet verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht Bielefeld mit Beschluss vom 05.02.2015 ebenfalls als unbegründet verworfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde dringt mit der den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO genügenden Rüge, der Betroffene sei der Hauptverhandlung nicht unentschuldigt ferngeblieben, da sein Verteidiger an dem Termin wegen einer eigenen Erkrankung nicht habe teilnehmen können und zwei Mal erfolglos um Terminsverlegung nachgesucht habe, durch. Die angefochtene Entscheidung lässt nämlich nicht erkennen, ob der Tatrichter von zutreffenden Voraussetzungen für die Einspruchsverwerfung gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist.
Auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren hat der Betroffene grundsätzlich das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 137 Abs. 1 S. 1 StPO). Hieraus folgt zwar nicht, dass die Hauptverhandlung im Ordnungswidrigkeitenverfahren bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers nicht durchgeführt werden kann und dem Betroffenen ein Erscheinen ohne seinen Verteidiger grundsätzlich nicht zumutbar und ein Ausbleiben des Betroffenen ohne Weiteres als entschuldigt anzusehen wäre. Es kommt vielmehr darauf an, ob die prozessuale Fürsorgepflicht eine Termins-verlegung geboten hätte; Anträge...