Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung. Strafrest. Wohnungseinbrüche. Anforderungen. Legalprognose
Leitsatz (amtlich)
Liegt der Strafhaft eine Verurteilung wegen wiederholter Wohnungseinbrüche mit teilweise erheblichen psychischen Beeinträchtigungen der Tatopfer zugrunde, bestehen im Rahmen der Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Vollzuges und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erhöhte Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Legalbewährung.
Normenkette
StGB §§ 244, 57 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Duisburg (Entscheidung vom 05.06.2014; Aktenzeichen 35 KLs-163 Js 203/13-32/13) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Aussetzung der Vollstreckung der noch nicht verbüßten Reste der Gesamtfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 5. Juni 2014 (35 KLs-163 Js 203/13-32/13) zur Bewährung wird abgelehnt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.
Gründe
I.
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts Duisburg vom 5. Juni 2014, rechtskräftig seit dem 11. Dezember 2014, wegen schweren Bandendiebstahls und Computerbetruges unter Einbeziehung einer mit Strafbefehl des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 16. August 2013 verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten und wegen schweren Bandendiebstahls in 19 Fällen und versuchten Computerbetruges zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zwei Drittel der Strafen sind seit dem 12. Mai 2017 verbüßt. Das Strafzeitende ist auf den 19. August 2018 notiert.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Mai 2017 hat die 16. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Duisburg, der Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne und nach mündlicher Anhörung des Verurteilten die Vollstreckung der noch nicht verbüßten Strafreste zur Bewährung ausgesetzt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft Duisburg mit ihrer näher begründeten sofortigen Beschwerde vom 9. Mai 2017, der die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf beitritt.
Der Verurteilte beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Aussetzung der Vollstreckung der noch nicht verbüßten Reste der Gesamtfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 5. Juni 2014 abzulehnen.
II.
Die gem. § 454 Abs. 3 Satz 1 StGB statthafte und insgesamt zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1.
Die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft liegen nicht vor.
a)
Nach § 57 Abs. 1 StGB setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe nach Verbüßung von zwei Dritteln der verhängten Strafe zur Bewährung aus, wenn dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann und der Verurteilte einwilligt. Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes, sein Verhalten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Die im Rahmen des § 57 Abs. 1 StGB zu treffende Prognoseentscheidung stellt im Gegensatz zu einer Prognoseentscheidung gem. § 56 Abs. 1 StGB nicht auf die Erwartung ab, der Verurteilte werde ohne die Einwirkung - weiteren - Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen (BGH, Beschluss vom 25. April 2003 - 1 AR 266/03, NStZ-RR 2003, 200, 201). Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob eine Haftentlassung verantwortet werden kann, wobei eine Abwägung zwischen den zu erwartenden Wirkungen des bereits erlittenen Vollzuges und den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit erforderlich ist (vgl. BGH, a.a.O.; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 57, Rdnr. 12). Je nach Schwere möglicher neuer Taten sind daher unterschiedliche Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit der Legalbewährung zu stellen. Je gewichtiger die Rechtsgüter sind, die bei einem möglichen Rückfall verletzt oder gefährdet würden, umso höher sind die Anforderungen an eine positive Legalprognose i.S.d. § 57 Abs. 1 StGB anzusetzen (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2011 - StB 14/11, NStZ-RR 2012, 8; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 57, Rdnr. 12).
b)
Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen sowie nach einer Gesamtwürdigung der übrigen für die Prognoseentscheidung in § 57 Abs.1 S. 2 StGB genannten Kriterien kann dem Verurteilten keine positive Legalprognose in diesem Sinne gestellt werden, zumal verbleibende Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. April 2009 - 2 BvR 2009/08, NJW 2009, 1941, 1942).
2.
Dem auf die persönliche Anhörung gestützten Eindruck der Strafvollstreckungskammer kommt zwar nach der Rechtsprechung aller Strafsenate des Oberlandesgerichts Hamm eine wesentliche Bedeutung zu. Ein Abweich...