Leitsatz (amtlich)
Neben der gesetzlich in § 143 StPO geregelten Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung im Falle der Meldung eines Wahlverteidigers ist eine Entpflichtung eines Pflichtverteidigers nur dann zulässig, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden.
Verfahrensgang
LG Bochum (Entscheidung vom 21.12.2005) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschuldigten verworfen..
Gründe
I.
Gegen die Beschuldigte, die gem. § 126 a StPO einstweilig untergebracht ist, ist beim Landgericht Bochum ein Sicherungsverfahren anhängig. Die Staatsanwaltschaft hat mit der Antragsschrift vom 17. November 2005 die Unterbringung der Beschuldigten beantragt. Diese wird einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen versuchten schweren Brandstiftung beschuldigt.
Der Beschuldigten ist auf deren Antrag und nach Anhörung im Sicherungsverfahren Rechtsanwalt A., der zunächst Wahlverteidiger der Beschuldigten war, als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Dieser ist im Übrigen auch in verschiedenen anderen Verfahren, die im zivilrechtlichen Bereich anhängig sind, Verfahrenspfleger der Beschuldigten. Am 27. Oktober 2005 meldete sich für die Beschuldigte Rechtsanwältin N. als Wahlverteidigerin. Diese beantragte für die Beschuldigte die Entpflichtung von Rechtsanwalt A. und ihre Bestellung als Pflichtverteidigerin. Begründet wurde der Entpflichtungsantrag damit, dass das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt A. gestört sei. Dieser habe sich um die Beschuldigte nicht gekümmert. Die Beschuldigte fühle sich durch ihn "förmlich im Stich gelassen.". Dem ist Rechtsanwalt A. entgegengetreten und hat im Einzelnen dargelegt, wann er mit der Beschuldigten gesprochen und diese - gemeinsam mit der Betreuerin - besucht hat.
Der Vorsitzende der Strafkammer hat durch den angefochtenen Beschluss die Entpflichtung von Rechtsanwalt A. abgelehnt. Dagegen richtet sich das Rechtsmittel der Beschuldigten, dem der Vorsitzende nicht abgeholfen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel der Beschuldigten ist zulässig (vgl. OLG Düsseldorf StV 1999, 586; OLG Frankfurt StV 1997, 575; 2001., 610). Es hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Vorsitzende der Strafkammer hat den Entpflichtungsantrag der Beschuldigten zu Recht zurückgewiesen.
Das OLG Hamm, insbesondere auch der erkennende Senat, haben in der Vergangenheit schon häufiger zu der Frage der Entpflichtung des Pflichtverteidigers Stellung genommen (vgl. u.a. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 13. Oktober 2000 in 2 Ws 267/00; vom 13. März 2000 in 2 Ws 69/00, vom 21. Juni 1999 in 2 Ws 187/99; Beschluss des 1. Strafsenats vom 24. November 2005 in 1 Ws 484/05 und Beschluss des (früheren) 5. Strafsenats vom 5. Juni 2001 in 5 Ws 236/01, alle www.burhoff.de). Die nach dieser ständigen Rechtsprechung des OLG Hamm, die der der übrigen Oberlandesgerichte entspricht (vgl. dAzu die Nachweise bei Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 3. Aufl., 2003, Rn. 1249 ff.), erforderlichen Voraussetzungen für die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers unter Beiordnung einer neuen Pflichtverteidigerin liegen nicht vor. Neben der gesetzlich in § 143 StPO geregelten Rücknahme der Pflichtverteidigerbestellung im Falle der Meldung eines Wahlverteidigers ist eine Entpflichtung eines Pflichtverteidigers nach ständiger Rechtsprechung nämlich nur dann zulässig, wenn Umstände vorliegen, die den Zweck der Pflichtverteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 143 Rdnr. 3; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 3695). Dabei gilt auch insoweit, dass dem Beschuldigten grundsätzlich der Rechtsanwalts seines Vertrauens als Pflichtverteidiger beizuordnen ist (BVerfG, a.a.O.). Allerdings ist im Entpflichtungsverfahren der Maßstab für die zur Begründung des Entpflichtungsantrags vorgetragenen Gründe enger als bei der Auswahl des Pflichtverteidigers (BVerfG, a.a.O.), wenn der Beschuldigte zur Auswahl seines Pflichtverteidigers gehört worden ist. Dann kann nämlich davon ausgegangen werden, dass ihm der Anwalt seines Vertrauens beigeordnet worden ist. Deshalb kommt es auf den bloßen Entpflichtungswunsch des Beschuldigten in der Regel nicht an. Dieser hat vielmehr substantiiert und konkret darzulegen und glaubhaft zu machen, dass ein wichtiger Grund für die Entpflichtung tatsächlich vorliegt. Vorgetragen werden müssen konkrete Gründe von Gewicht, die auch vom Standpunkt eines verständigen Beschuldigten aus die Möglichkeit der Erschütterung des zunächst bestehenden Vertrauensverhältnisses nachvollziehbar erscheinen lassen (OLG Hamm, Beschluss vom 24. November 2005, 1 Ws 484/05 unter Hinweis auf OLG Stuttgart NStZ-RR 1996, 207 mit weiteren Nachweisen).
Diesen Anforderungen wird da...