Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Pflichtteilsstrafklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung einer Pflichtteilsstrafklausel, durch die Ehegatten in einem privatschriftlichen gemeinschaftlichen Testament ein Kind, das nach dem Tode des Erstversterbenden von ihnen den Pflichtteil verlangt, nach dem Tode des Letztversterbenden von der Erbfolge ausschließen und auf den Pflichtteil verweisen, ohne eine ausdrückliche Regelung für die Schlusserbfolge zu treffen.
2. Es besteht kein zwingender Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine solche Regelung allein auf einen übereinstimmenden Willen der Ehegatten schließen lässt, die Kinder als Adressaten der Strafklausel zu Schlusserben nach dem Tode des Letztversterbenden zu berufen.
Verfahrensgang
LG Paderborn (Beschluss vom 21.11.2003; Aktenzeichen 5 T 85/03) |
AG Paderborn (Aktenzeichen 32 VI 135/02) |
Tenor
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) hat die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Gegenstandswert des Verfahrens dritter Instanz wird auf 698.209,70 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit C., der am 15.9.1991 vorverstorben ist. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die aus der Ehe hervorgegangenen Töchter.
Die Ehegatten waren zu je 1/2 Anteil Miteigentümer des Hausgrundstücks D.-Weg 42 in P. Die Erblasserin war darüber hinaus Alleineigentümerin des Innenstadtgrundstücks R.-Platz 13 in P., das aus der Familie ihrer Mutter stammte.
Die Ehegatten errichteten am 23.9.1977 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich zunächst gegenseitig als Erben einsetzten und dann weiter Folgendes bestimmten:
"Wir wissen, dass unsere Kinder aufgrund dieser Anordnung berechtigt sind, von dem Überlebenden den Pflichtteil zu verlangen. Wir erwarten aber, dass dies nicht geschieht. Sollte trotz unserer Bitte eines unserer Kinder nach dem Tod des Vorversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend machen, so soll es auch nach dem Tod des Längerlebenden nur einen Pflichtteilsanspruch haben. Im Übrigen wird es hiermit in diesem Fall von uns enterbt."
Noch zu Lebzeiten ihres Ehemannes errichtete die Erblasserin am 9.1.1990 ein notarielles Einzeltestament (UR-Nr. ..., Notar Dr. V. in P.), dessen Vorbemerkung lautet:
"Mein Ehemann, C., geb. 20.2.1903, und ich haben ein privatschriftliches Ehegattentestament errichtet, in dem wir uns gegenseitig derart zu Erben eingesetzt haben, dass der Überlebende Alleinerbe des Zuerstversterbenden sein soll.
Ich bin vom beurkundenden Notar über die Möglichkeiten des Widerrufs wechselbezüglicher Verfügungen in Ehegattentestamenten gem. § 2271 BGB belehrt worden, möchte jedoch von der Möglichkeit eines förmlichen Widerrufs keinen Gebrauch machen, obwohl ich auf die Folge der Unwirksamkeit meiner nachfolgenden Verfügungen für den Fall meines Vorversterbens hingewiesen worden bin."
Nachfolgend setzte die Erblasserin für den Fall ihres Überlebens die Beteiligten zu 1) und 2) zu gleichen Teilen als ihre Erbinnen ein und wandte der Beteiligten zu 2) als Vorausvermächtnis das Hausgrundstück D.-Str. 42 und der Beteiligten zu 1), ersatzweise deren Kindern, ein Nachvermächtnis daran zu. Mit notariellem Vertrag vom 22.8.1995 übertrug die Erblasserin das Grundstück D.-Str. 42 an die Beteiligte zu 2) unter Anrechnung auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche. Am 24.5.2000 errichtete die Erblasserin ein weiteres notarielles Testament (UR-Nr. ..., Notar T. in P.), in dem sie nunmehr die Beteiligte zu 1) als ihre Alleinerbin einsetzte. Dieses Testament ergänzte sie zu notarieller Urkunde vom 15.2.2001 (UR-Nr. ..., Notar T.), indem sie ihre Enkeltochter I. zur Ersatzerbin berief.
Die Beteiligte zu 2) hat zu notarieller Urkunde vom 26.3.2002 (UR-Nr. ..., Notar L. in H.) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, der sie und die Beteiligte zu 1) zu je 1/2 Anteil als Erbinnen ausweisen soll. Zur Begründung hat sie die Auffassung vertreten, die Erbfolge richte sich nach dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 23.9.1977. Dessen Auslegung ergebe insb. unter Berücksichtigung der Pflichtteilsstrafklausel, dass die Ehegatten ihre gemeinschaftlichen Kinder zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt hätten. An diese Erbeinsetzung sei die Erblasserin nach dem Tode ihres Ehegatten gebunden gewesen.
Die Beteiligte zu 1) ist dem Erbscheinsantrag mit der Begründung entgegengetreten, das gemeinschaftliche Ehegattentestament enthalte keine Schlusserbeinsetzung.
Das AG hat in der Sitzung vom 13.5.2002 die Zeugen S. und L. vernommen und sodann durch Beschluss vom 16.5.2002 im Wege des Vorbescheids die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 2) angekündigt. Nach Ablauf der eingeräumten Frist zur Beschwerdeeinlegung hat das AG unter dem 11.6.2002 der Beteiligten zu 2) eine Ausfertigung des angekündigten Erbscheins erteilt.
Die Beteiligte zu 1) hat mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten v...