Leitsatz (amtlich)
1. Bei verlassen des durch eine durchgehende weiße Linie von der Fahrbahn abgeteilten Radweges in Richtung Fahrbahn sind die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 10 S. 1 StVO zu beachten.
2. Das Überqueren dieser Linie entgegen § 2 Abs. 4 S. 2 StVO unter Missachtung der sich aus § 10 S. 1 StVO ergebenden Sorgfaltspflichten, um unmittelbar anschließend unter Missachtung der weiteren sich aus § 9 Abs. 1 und 4 StVO ergebenden Pflichten zwecks Linksabbiegens zur Straßenmitte zu lenken, rechtfertigt die Alleinhaftung des Radfahrers im Falle der Kollision mit dem nachfolgenden Verkehr.
Normenkette
StVG §§ 7, 9; StVO § 2 Abs. 4 S. 2, § 10 S. 1, § 9 Abs. 1, 4; BGB § 254
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 9 O 254/14) |
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich; die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 4 ZPO.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens und begehrt Feststellung eines umfassenden Vorbehalts für zukünftige Schäden aus einem Verkehrsunfall vom xx. xx. 2014 gegen 13:45h in I. Der am xx. xx. 1933 geborene Kläger befuhr mit seinem Pedelec den durch eine durchgehende Linie von der Fahrbahn der S-Straße abgetrennten kombinierten Geh- und Radweg (Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, Zeichen 295 und 241) in Fahrtrichtung S1. Die zulässige Geschwindigkeit ist in diesem Bereich auf 50 km/h beschränkt. An der Kreuzung mit der von rechts einmündenden Straße M beabsichtigte der Kläger, nach links in die zunächst zu den Häusern S-Straße xxx bis xxx c führende und sodann dem Verlauf des X-E--Kanals folgende Zuwegung abzubiegen. Zu diesem Zweck überfuhr er die durchgezogene Linie in Richtung Fahrbahnmitte. Unmittelbar vor der Kreuzung berührte die von hinten herannahende Beklagte zu 1) mit der rechten Ecke des vorderen Stoßfängers ihres auf ihren Ehemann zugelassenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs O N das Hinterrad des Pedelecs. Der Kläger stürzte und zog sich hierdurch - ausgewiesen durch den Ärztlichen Bericht der Frau Dr. L2 v. 01.09.2014 - neben diffusen Prellungen eine Fraktur der linken Hüftpfanne und eine beiderseitige Sitzbeinfraktur zu. Im Rahmen der stationären Behandlung wurde bei dem Kläger aufgrund röntgenologisch sichtbarer Osteolyten in anderen Bereichen des Hüftknochens ein Plasmazellmyelom diagnostiziert, das einen sich unmittelbar anschließenden stationären internistischen Krankenhausaufenthalt erforderlich machte.
Der Kläger hat mit der Klageschrift behauptet, er habe mindestens 50 Meter vor der Abzweigung den Abbiegevorgang eingeleitet, indem er nach Rückschau und Handzeichen zunächst den Radweg unter Überfahren der durchgezogenen Linie verlassen habe. Am rechten Fahrbahnrand habe er sich erneut umgeschaut und nochmals seine Abbiegeabsicht durch Handzeichen angekündigt. Dann habe er sein Fahrrad zur Fahrbahnmitte hin gelenkt, wo es zur Berührung mit dem Fahrzeug der Beklagten gekommen sei. Die Verletzungen seien nicht folgenlos verheilt. Noch heute könne er, der bis zum Unfall besonders sportlich gewesen sei, nur unter Schmerzen sitzen. Die Beweglichkeit sei eingeschränkt, er sei auf eine Gehstütze angewiesen. Der Kläger verlangt ein angemessenes Schmerzensgeld, wobei er sich einen Betrag von 20.000,- EUR vorstellt. Daneben verlangt er Ersatz der Reparaturkosten für das beschädigte Pedelec iHv 422,12 EUR, 100,40 EUR für Zuzahlungen zu Heilmitteln und Fahrtkosten, sowie eine Unkostenpauschale iHv 25,- EUR. Neben der Feststellung eines umfassenden Vorbehalts begehrt er Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten iHv 1.474,89 EUR.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm jedweden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus dem Verkehrsunfall am xx. xx. 2014 gegen 13:45h auf der S Straße in xxxxx I am See resultiert, soweit Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 522,52 EUR nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
4. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten iHv 1.474,89 EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger habe sein Pedelec unmittelbar vor der von hinten sich nähernden Beklagten zu 1) ohne Rückschau und ohne Handzeichen zur Fahrbahnmitte hin gelenkt. Die Beklagte zu 1...