Leitsatz (amtlich)
Die Kollisionsnormen der Rom III-VO gelten für die Mitgliedsstaaten der Verordnung auch im Verhältnis zu Drittstaaten außerhalb der EU. Sie finden demnach auch dann Anwendung, wenn die betroffenen Eheleute (hier: Libanesen) Angehörige eines Drittstaates sind.
Das libanesische Recht kennt kein dem deutschen Versorgungsausgleich vergleichbares Rechtsinstitut im Sinne des Art. 17 Abs. 4 S. 1 EGBGB.
Normenkette
EGBGB Art. 17 Abs. 4 S. 1; ROM III-VO Art. 8
Verfahrensgang
AG Brilon (Aktenzeichen 20 F 91/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 12.10.2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Brilon abgeändert.
Die am ...12.2012 vor dem Scharia Gericht in Tripoli, Nummer ..., geschlossene und am ... .7.2013 unter Nummer ... vom Standesamt registrierte Ehe der Beteiligten wird geschieden.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf insgesamt 4.000,00 EUR festgesetzt (Scheidung: 3.000,00 EUR, Versorgungsausgleich: 1.000,00 EUR).
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Scheidung der Ehe der Beteiligten.
Die Beteiligten sind beide libanesische Staatsangehörige. Sie schlossen am ...12.2012 in Tripoli die Ehe, aus der zwei Söhne (2 und 3 Jahre) hervorgegangen sind. Im Herbst 2015 reisten die Beteiligten mit ihren Kindern in die Bundesrepublik ein und stellten im September 2016 Asylanträge, die inzwischen rechtskräftig abgelehnt sind. Die Antragstellerin hat zwischenzeitlich einen neuen Asylantrag gestellt.
Im Juni 2017 trennte sich die Antragstellerin vom Antragsgegner und zog mit den Kindern zunächst in ein Frauenhaus und später nach N. Die Antragstellerin erstattete gegen den Antragsgegner Strafanzeige wegen Vergewaltigung und Missbrauch von Schutzbefohlenen. Die Ermittlungen wurden seitens der Staatsanwaltschaft Münster zunächst im Herbst 2017 eingestellt, Ende September 2018 erneut aufgenommen und mit Bescheid vom 11.10.2018 erneut aufgrund mangelnden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
Die Antragstellerin trägt vor: Die Ehe sei gescheitert. Der Antragsgegner habe sie bereits im Libanon, aber auch in Deutschland, mehrfach zum Geschlechtsverkehr gezwungen und sie auch körperlich misshandelt. Dies sei der Grund für die Trennung gewesen.
Die Antragstellerin hat beantragt,
die am ... .12.2012 in Tripoli, Libanesische Republik, geschlossene Ehe (Registrierung: ... .07.2013, Nummer. ...) der Beteiligten zu scheiden.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Scheidungsantrag zurückzuweisen.
Er hat die seitens der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe bestritten und vorgetragen: Die Ehe sei aus seiner Sicht nicht gescheitert. Nach seiner Auffassung habe sich die Antragstellerin nur deswegen von ihm getrennt und den Scheidungsantrag gestellt, um ihre Möglichkeiten zum Verbleib in Deutschland zu verbessen.
Das Amtsgericht hat die Beteiligten am 9.10.2018 persönlich angehört und mit dem am 12.10.2018 erlassenen Beschluss den Scheidungsantrag zurückgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt: Vorliegend finde libanesisches Recht Anwendung. Dessen Voraussetzungen für eine Scheidung könnten nicht festgestellt werden, da die von der Antragstellerin behaupteten Verfehlungen des Antragsgegners nicht sicher festgestellt werden könnten.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie macht geltend, dass das Amtsgericht zu Unrecht von der Anwendbarkeit libanesischen Rechts ausgegangen sei. Tatsächlich finde nach Art. 8 der Rom III-VO deutsches Recht Anwendung.
Die Antragstellerin beantragt,
abändernd die Ehe der Beteiligten zu scheiden.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat die beteiligten Ehegatten am 25.1.2019 persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Berichterstattervermerk vom 28.1.2019 Bezug genommen. Der Senat hat weiter Beweis erhoben über die Frage, ob das libanesische Recht ein dem deutschen Versorgungsausgleich vergleichbares Rechtsinstitut kennt, durch Einholung einer Auskunft der Botschaft des Libanon in der Bundesrepublik Deutschland. Wegen des Ergebnisses der Beweiserhebung wird auf das Schreiben des Botschafters Dr. B vom 19.3.2019 (Blatt 324 d.A.) Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist in der Sache begründet.
1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte leitet sich vorliegend aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a), 1. Spiegelstrich EuEheVO (VO (EG) Nr. 2201/2003)) her. Danach sind für Entscheidungen über die Ehescheidung die Gerichte des EU-Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die EuEheVO ist auch dann anwendbar, wenn die beteiligten Ehegatten Drittstaater oder Staatenlose sind (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., Anh II A, Art. 1 EuEheVO Rn. 14). Da die Beteiligten seit Herbst 2015 in Deutschland leben und auch seitens des Antragsgegners bisher keine konkreten Ausreiseabsichten dargelegt sind, kann nicht zweifelhaft sein, da...